VIELLEICHT BLEIBT UNS DER GESUNDHEITSFONDS DOCH NOCH ERSPART
: „Größte Reform“ als größter Irrtum

Jetzt hat es die große Koalition doch tatsächlich geschafft, die geplante Gesundheitsreform auf ihren Kern zu reduzieren. Die Beitragserhöhung zum 1. Januar kommt gewiss – alles andere wird um ein Vierteljahr verschoben. Alles andere, das ist vor allem der geplante Gesundheitsfonds, den niemand wirklich will, den kaum jemand versteht und der – trotz anders lautender Bekenntnisse – vor der nächsten Bundestagswahl wohl ohnehin nicht mehr so recht ans Laufen kommt.

Im politischen Berlin wird dieser Tage gern die Formulierung nachgeplappert, bei der Gesundheit plane die schwarz-rote Bundesregierung ihr „größtes Reformvorhaben“. Diese Einschätzung war von Anfang an der größte Irrtum. Bei keinem anderen Thema stehen die Positionen der beiden Volksparteien so unversöhnlich gegeneinander. Bei den wirklich einschneidenden Vorhaben der großen Koalition wie etwa Mehrwertsteuer, Rentenalter oder Familienpolitik lassen sich leicht Kompromisse finden, wenn sich die vermeintlichen Kontrahenten insgeheim nicht ohnehin längst einig sind. Zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale gibt es keinen Mittelweg.

Gerade deshalb, um das Unvereinbare scheinbar zu vereinen, haben die Koalitionäre das Monstrum des „Gesundheitsfonds“ ersonnen. Für die Versicherten wie auch für die Regierung selbst wäre es das Schlimmste gewesen, wenn dieser Fonds schnell beschlossen würde und tatsächlich Anfang 2008 arbeiten könnte. Union wie SPD hätten sich damit den Weg für ihr jeweiliges Wunschsystem weitgehend versperrt und sich ohne Not eine Neuauflage der Hartz-IV-Debatte aufgebürdet – wenn mitten im nächsten Bundestagswahlkampf ein schlecht funktionierender und von den Beteiligten teils boykottierter Fonds in Kraft träte.

Die Verschiebung bietet jetzt eine wirkliche Chance. Nicht dass die Mängel der Reform, die eher in der Substanz als im Handwerk liegen, durch neuerliche Beratungen noch behoben werden könnten. Aber eine endlose Debatte könnte zumindest dazu führen, dass die Gesundheitsreform vor der nächsten Bundestagswahl gar nicht mehr in Kraft tritt. Und das wäre durchaus ein Gewinn.

RALPH BOLLMANN