: Arbeitslos im Kampf gegen rechts
Während in Schwerin die Neonazis an die Landtagstür klopfen, will der Bund den wichtigsten Beratungsstellen gegen rechts den Geldhahn zudrehen. Einige kündigen bereits ihre Büros. Das Familienministerium sieht sich dafür nicht mehr zuständig
AUS BERLIN ASTRID GEISLER
Die Zahl der rechtsextremen Straftaten steigt, in Mecklenburg-Vorpommern droht die NPD in den Landtag einzuziehen – und was machen die Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus im Land? „Ich schicke meine Mitarbeiter am 1. Oktober zum Arbeitsamt“, sagt Dominique John von der Initiative „Opferperspektive“ in Brandenburg. „Parallel fangen wir an, die Mietverträge für unsere Büros und Leasingautos zu kündigen.“
Was John sagt, ist kein schlechter Scherz, und die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in Brandenburg kein Einzelfall. Zum Jahresende läuft das Bundesprogramm aus, aus dem bisher die so genannten Strukturprojekte gegen rechts finanziert wurden – also Mobile Beratungsteams, Opferberatungs- oder Netzwerkstellen. Ein neues Programm gleichen Umfangs ist zwar im gestern vorgestellten Etat des Familienministeriums eingeplant, doch die seit 2001 aufgebauten Strukturprojekte tauchen darin nicht mehr auf.
Aus gutem Grund, meint ein Sprecher des Familienministeriums: „Die Bundesregierung hatte hier nur eine Anregungsfunktion.“ Alle bisher geförderten Stellen seien als „Modellprojekte“ unterstützt worden, im föderalen Staat dürfe der Bund sie gar nicht dauerhaft finanzieren. Fortan müssten Länder und Kommunen ihre Verantwortung dafür wahrnehmen. Wie es für die Betroffenen ab dem 1. Januar weitergehen soll? „Es ist Aufgabe der Initiativen, sich darüber jetzt Gedanken zu machen“, sagt der Ministeriumssprecher.
Die Grünen-Abgeordnete Monika Lazar warnt hingegen, Ursula von der Leyens (CDU) Familienministerium drohe die in den vergangenen fünf Jahren mühsam aufgebaute Infrastruktur in der Arbeit gegen Rechtsextremismus im Osten zu zertrümmern. „Die Rechten werden sich kranklachen. Für sie ist das wunderbar.“ Aus Lazars Sicht ist es naiv, die Verantwortung komplett an Länder und Kommunen weiterzureichen. „Viele Kommunen wollen bis heute die Probleme nicht sehen.“ Lazar bezweifelt, dass ausgerechnet jene die Finanzierung von Initiativen übernehmen werden, die das Thema Rechtsextremismus bisher oft leugneten.
Auch den Sozialdemokraten sind diese Probleme bekannt. „Wir arbeiten an einer Lösung“, versicherte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy gestern der taz. Seine Fraktion wolle in jedem Fall sicherstellen, dass bewährte Projekte nicht vor das finanzielle Aus gestellt würden. Zuständig für die Gespräche mit dem Familienministerium ist die Vorsitzende des Jugendausschusses, Kerstin Griese. „Wir verhandeln darüber mit dem Koalitionspartner“, versicherte die SPD-Politikerin der taz. Ziel sei es, die Länder für eine gemeinsame Förderung zu gewinnen. Zu Details wollte sie wegen der laufenden Gespräche nichts sagen.
Bis November, wenn der Bundeshaushalt verabschiedet wird, bleibt den Sozialdemokraten noch Zeit, die Union für Nachbesserungen zu gewinnen. Die Mitarbeiter der Beratungsstellen werden dann längst in der Kartei der Arbeitsagentur stehen – und sich nach anderen, sichereren Jobs umschauen.