So macht der Papstbesuch einen Heidenspaß

VON PHILIPP GESSLER

Und siehe, morgen wird er vom Himmel hinabkommen, aus dem Flugzeug steigen und in Bayern mitten unter uns sein: Papst Benedikt XIV. besucht den Freistaat, seine Heimat – und alle Atheisten, Agnostiker und liberalen Katholiken werden auf eine harte Probe gestellt: Zehntausende werden den mal konservativen, mal reaktionären Predigten Joseph Ratzingers lauschen, Hunderttausende werden ihm am Straßenrand zujubeln, das Bayerische Fernsehen, das fast jede Minute des mehrtägigen Besuchs live überträgt, werden Millionen jeden Schritt des alten Herren aus Rom folgen können … Und was machen Sie? Hier ein paar Tipps, wie Sie den Besuch des Papstes in Bayern überleben:

1. Sagen Sie alle Verabredungen in München ab! Es wird schrecklich. Verkehrschaos, weil Zehntausende zum Marienplatz, wo sonst die Bayern die Meisterschaft feiern, pilgern werden, um zu beobachten, wie der Papst die Patrona bavariae um Fürbitte beim Herrn anfleht. Hier wird sich aufgestaute Marienfrömmigkeit mit deftigem bayerischem Lokalpatriotismus paaren, eine unangenehme Mischung. Dazu die Schicki-Micki-Prominenz Münchens, garniert mit CSU-Politikern, die einen Abend lang dienern üben. Dazu am nächsten Tag eine Messe in der Neuen Messe am Rande Münchens, das hier so provinziell ausläuft, wie die Stadt im Kern schon ist. Um Gottes willen, meiden Sie diese gottlosen Orte!

2. Machen Sie einen Abstecher zu den bayrischen Atheisten! Geschockt von nun schon ersten Tagen Papsthysterie um Sie herum, können Sie ins Münchner Gasteig-Kulturzentrum fliehen: Dort erwartet Sie unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqualen“ eine – wenn auch kleine – „religionsfreie Zone“. Ein buntes Völkchen von Papst-, Kirchen- und Religionsverächtern, angeführt vom 1870 gegründeten „ Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten“, wird seinen Protest gegen den Papstbesuch, die vom Staat teilfinanzierten Kirchen, ja, das unausrottbare Phänomen der Religion an sich äußern. Dem Programm nach dürfte es etwa tausendmal lustiger zugehen als in Umgebung des Papstes. In der „religionsfreien Zone“ wird es eine Kritik der bissigen englischen Cartoon-Serie „Popetown“ geben, die angeblich irgendwelche religiösen Gefühle verletzt haben soll, wie uns einige Oberkatholiken weismachen wollten. Außerdem wird der Passauer Kabarettist Sigi Zimmerschied auftreten – gegen ihn wurde schon vor 30 Jahren wegen Gotteslästerung ermittelt.

3. Streichen Sie Altötting von der Landkarte! Sicher, das Bier ist gut da, die Landschaft herrlich, die Architektur wunderbar – und beten kann man dort auch ganz gut. Aber an diesem Tag wird dort schlicht die Hölle los sein! Der bigotte barocke bayerische Katholizismus, den zu verstehen nördlich der Mainlinie sowieso jedem auf ewig versagt ist, wird in seiner ganzen Herrlichkeit erblühen: mit einer „Prozession des Allerheiligsten“, einer „Übertragung des Gnadenbildes in die Basilika“ und einer „Vesper des Heiligen Vaters mit Ordensangehörigen und Priesterseminaristen“ ebendort.

Es ist ein Closed Shop – versuchen Sie erst gar nicht, den Reiz dieser Veranstaltungen zu verstehen. Benedikt hat neulich von seinem letzten Besuch in Altötting 1980 mit seinem Vorgänger Johannes Paul II. geschwärmt: Der habe da „das katholische Herz Bayerns“ gespürt: „Da ist wirklicher Glaube zu Hause, da ist die Mutter Gottes, und die Menschen lieben sie und kommen zu ihr.“ Was macht es da für einen Sinn, daran zu erinnern, dass dieser Papst jüngst die vom Zweiten Vatikanischen Konzil betonte Kollegialität der Bischöfe wieder sanft ad acta gelegt hat, dass er eine personell hochkarätige kircheninterne Debatte über Kondome für Aids-Infizierte offensichtlich abgewürgt hat und dass er jegliche Forderung nach der Zulassung von Frauen zum Priesteramt abgewiesen hat?

Vergessen Sie’s, an diesem Tag werden Sie in Altötting niemals zu Wort kommen. Bleiben Sie lieber fern und genießen Sie den weiß-blauen Himmel – aber nicht in Marktl, dem Geburtsort des Papstes. Da kommt er nämlich auch hin. Für eine Viertelstunde!

4. Protestieren Sie in Regensburg! Am Montagabend und Dienstag müssen Sie sich in Nächstenliebe für die kritischen Katholiken des Bistums Regensburg üben! Die streiten sich seit etwa zwei Jahren mit ihrem reaktionären Bischof Gerhard Ludwig Müller. Der Bischof hat die an sich schon geringe Macht der Laien in seiner Diözese noch weiter verringert – selbst die meisten Kollegen in der deutschen Bischofskonferenz protestierten mehr oder weniger offen dagegen. Doch durch den Papstbesuch wird Müller aufgewertet. Wenn einige Protestierer in Regensburg daran erinnern werden, dass das Volk Gottes nicht nur aus Bischöfen besteht, stehen Sie ihnen bei. Unterdessen wird sich Bischof Müller weiter an dem „Jahrtausendereignis“ Papstbesuch, wie er es schon genannt hat, ergötzen.

Am Dienstag, dem Tag einer Großmesse bei Regensburg, wird die Autobahn A3 in dieser Gegend von Mitternacht bis 18 Uhr komplett gesperrt sein. Die bayerischen Schulferien wurden offiziell verlängert, auf dass nicht nur die Regensburger die Messe mit Kind und Kegel besuchen können – so viel zum Thema Trennung von Staat und Kirche in Deutschland. Ach ja, und das Regensburger BMW-Werk muss wegen der Autobahnsperrung für zwei Tage seinen Betrieb einstellen. Vielleicht die positivste Auswirkung des Papstbesuches.

5. Dienstagabend ist Zeit für kritische Fragen! Das könnte Ihre Chance sein, doch noch etwas Wasser in den päpstlichen Wein zu schütten: Der Papst trifft am Dienstagnachmittag Wissenschaftler der Uni Regensburg und feiert danach eine Vesper mit Protestanten. Bei diesen „Begegnungen“, wie sie offiziell heißen, sollten Sie den Papst fragen, was er da für eine persönliche Kiste laufen hat, als er damals als Dogmatik-Professor in den Sechzigern vor den „68ern“ in Tübingen floh, um an der Uni Regensburg die heile Welt zu suchen.

Spätestens hier ist seine Theologie nämlich immer konservativer geworden, was seinen Aufstieg zum Präfekten der Glaubenskongregation und schließlich zum Papst erst ermöglichte. Vielleicht wollen Sie ihn auch fragen, wie sich sein Kampf gegen die „Diktatur des Relativismus“ in der modernen Welt mit der Freiheit der Wissenschaft vereinbaren lässt. Und sind die evangelischen Kirchen nun eigentlich Kirchen, wie er bei seinem Fernseh-Interview kürzlich sagte – oder eher weniger, was er in der Enzyklika „Dominus Iesus“, von ihm für seinen Vorgänger verfasst, unterstrich?

6. Gönnen Sie sich am Mittwoch einen Ruhetag – wie der Papst. Vier Tage Papsthysterie in Bayern, das schlaucht. Gönnen Sie sich einen Ruhetag, wie es der Papst auch tut. Er besucht seinen Bruder Georg Ratzinger, Priester, Domkapellmeister in Regensburg – und ein ebensolcher Hardliner wie Joseph. Kleine Kostprobe aus einem Cicero-Interview mit Georg: „Der Herr Küng zum Beispiel, das ist ein typischer Fall: Der tut katholisch und ist es nicht.“

7. Wünschen Sie ihm am Donnerstag gnädig eine gute Heimreise nach Rom! Sie haben es geschafft, der Donnerstag ist der letzte Tag des Papstbesuchs in Bayern. Im Papamobil wird er noch einmal durch Freising fahren, dann im dortigen Mariendom beten und wieder eine „Begegnung“ haben – mit Priestern und Diakonen aus der Erzdiözese. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Wäre auch etwas unschön zu hören, dass auch in Bayern durch den Priestermangel immer mehr Gemeinden veröden. Wenn solche Themen unter den Geistlichen überhaupt angeschnitten werden. Anschließend fliegt der Papst zurück nach Rom, und es sei ihm gegönnt, denn Stress war das Ganze für den eher menschenscheuen Intellektuellen schon. Ihr Trost könnte sein: Wenn überhaupt, so schnell kommt Benedikt XVI. sicher nicht wieder.