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Archiv-Artikel

Im Pfirsich-Kostüm

Klar, Rock ’n’ Roll. Aber als lustige Konzeptshow? Peaches spielte im Postbahnhof zum Auftakt ihrer Europatournee

Irgendwann kippte der Penis. Unaufhaltsam neigte sich das Zwei-Meter-Ding übers Schlagzeug Richtung Bühne. Dann fiel es, und zwar auf den weitgehend nackten Rücken von Peaches. Die stemmte erst noch wie ein Atlas das Gewicht des Sexes und sagte dann: Es gebe hier einen verletzten Penis. Auch wenn einige glaubten, sie sei eine Penis-Ärztin – sei sie nicht. Ob sich irgendwer kümmern könne? Prompt packten zwei schick tätowierte Bühnenroadies den Stoff-Phallus auf eine Krankenbahre und strauchelten mit ihm in Dick-und-Doof-Manier von der Bühne. Der Saal war enthusiasmiert.

Das Kippen war wohl eher kein Deko-Unfall gewesen, sondern ein geplanter Lacher in einer perfekten Show. Peaches ist erwachsen geworden – ein Großpopstar mit Stadionambitionen. Vorbei die Zeit allein mit dem Maschinchen, vorbei aber auch die Zeit mit den wilden Mädels auf der Bühne, mit Peitschen und Strapsen und Hexenbesen. Jetzt gibt es eine dreiköpfige Band aus großen Figuren des amtlichen feministischen Rock: Samantha Maloney von Hole, Radio Sloan (bei Courtney Love) und JD von Le Tigre. Die hantierten in goldenen Anzügen steckend mit Umhängekeyboard, Gitarre und Schlagzeug, wobei sie sich nach Art der Menschmaschinen bewegten und so taten, als wären sie gerade dabei, die Achtziger wiederzuentdecken.

Die bekannteste aller Berliner Sexgöttinnen, plötzlich auch schon 39 Jahre alt, will nicht mehr Underground sein. Auch wenn das Publikum entfesselt reagierte: Sie ist nur mehr ein professioneller Peaches-Impersonator, dem immer rechtzeitig neue Gitarren gebracht werden und dem sogar beim Ausziehen neuer Höschen- und Büstenhalterschichten geholfen wird. Alle sonstigen Show-Elemente sehen aus wie auf einer Peaches-Revival-Show: die zuckende Zunge zwischen den beiden Zacken einer Gitarre, das bemerkenswert tief gehende Swallowing eines Drumsticks, das breitbeinige Geturne auf dem BMX-Rad. Geschickt im Programm verteilt auch die alten Knaller vom ersten Album – „Fuck the Pain Away“ ist heute ein Mitschreischlager, bei „Aa XXX“ wird man jetzt zu YMCA-mäßigen Armbewegungen animiert.

Alles rockt, alles ist laut und eben total peachesmäßig. Einfach unglaublich oberflächlich. Vielleicht war es das immer schon, und man durfte das übersehen, weil es nicht so viele gleichzeitig übersahen. Heute aber ist Karneval angesagt. Leider gerade dann, wenn Peaches im Peaches-Kostüm von willfährigen Ekstatikern in den ersten Reihen über Köpfe transportiert wird und schreit: „Rock ’n’ Roll!“KIRSTEN RIESSELMANN