Mehr Macht für die Bundeskommissare

Bald zieht das Bundeskriminalamt mit Dorfpolizisten gleich – es darf Gefahren abwehren. Bundesinnenminister Schäuble stellt Gesetz vor, das erstmals präventive Einsätze gegen Terroristen erlaubt. CDU-Länder geben Widerstand auf, SPD hält sich zurück

VON CHRISTIAN RATH

Die große Koalition will die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) im Kampf gegen den Terror ausweiten. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereitet einen Gesetzentwurf vor, der dem BKA zum ersten Mal in seiner Geschichte präventive Befugnisse einräumt. Die Länder, die das lange ablehnten, signalisieren inzwischen Einverständnis. Offen ist, ob das BKA präventiv Telefone abhören kann.

BKA-Chef Jörg Ziercke wirbt schon lange für die Reform. „Jeder Dorfpolizist darf Gefahren abwehren, nur wir nicht.“ Bislang waren für die Abwehr künftiger Gefahren allein die sechzehn Landespolizeien zuständig. Das BKA war auf Aufgaben bei der nachträglichen Verfolgung von schweren Straftaten beschränkt, außerdem verwaltet es bundesweit gesammelten Fingerabdrücke und DNA-Profile.

Ein erster Durchbruch für die Aufwertung gelang bereits Anfang des Jahres. Nach schwierigen Verhandlungen stimmten die Länder in der Föderalismusreform zu, dass das BKA künftig unter zwei Bedingungen auch bei der Gefahrenabwehr tätig werden kann. Erstens muss es um „Gefahren des internationalen Terrorismus“ gehen, zweitens darf „die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar“ sein. Gemeint sind Situationen, bei denen die Beamten aus dem Ausland Tipps bekommen. „Wenn gefährliche Islamisten im Zug nach Deutschland unterwegs sind, wissen wir ja nicht, in welchem Bundesland sie aussteigen“, erläutert Ziercke das Problem.

Hier will das Bundeskriminalamt künftig selbst die Beobachtung übernehmen und nicht lange mit den Ländern verhandeln. „Solche Diskussionen führen zu unnötigem Zeitverlust“, sagte Ziercke jüngst in Karlsruhe. „Außerdem sollte es bei hochsensiblen Hinweisen auch nicht zu viele Mitwisser geben.“

Die Grundgesetzänderung trat vor wenigen Tagen, am 1. September, in Kraft. Sie gibt dem BKA aber noch keine neuen Befugnisse, sondern erlaubt dem Bund nur, ein entsprechendes Gesetz zu beschließen – bei dem der Bundesrat als Ländervertretung allerdings ein Vetorecht hat. Bis gestern war unklar, wie konstruktiv die Länder an der Gesetzgebung mitwirken. Mit Spannung stellte Schäuble deshalb seinen Gesetzentwurf bei einem Treffen der CDU-Innenminister in Göhren-Lebbin (Mecklenburg-Vorpommern) vor. Vorbereitet hat den Punkt ausgerechnet das Land Bayern, das bisher härtester Kritiker neuer Bundesbefugnisse bei der Polizei war. „Die Länderpolizei weiß doch besser, was sich im Hinterzimmer einer Moschee abspielt“, sagte Innenminister Günther Beckstein früher.

Solche Töne waren gestern nicht mehr zu vernehmen. „Es gab absolutes Einvernehmen“, sagt der Sprecher von Wolfgang Schäuble. Und sein Kollege aus Hessen, das die CDU-Innenminister koordiniert, bestätigt: „Da gab es überhaupt keinen Dissens mehr.“

Spannend wird die Diskussion nun eher in der großen Koalition. Denn im Gesetz müssen die neuen Befugnisse des BKA genau bestimmt werden. Klar ist: das BKA kann Gefährder künftig beobachten, befragen und Platzverweise aussprechen. Aber kann es auch präventiv ihre Telefone abhören? „Das BKA muss alles können, was die Länderpolizeien auch dürfen“, heißt es im Bundesinnenministerium. Da liegt das Problem: Die Landesgesetze sind sehr uneinheitlich. In Thüringen und Bayern darf die Polizei vorsorglich mithören. In Baden-Württemberg und Berlin aber nicht. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, sagte gestern der taz: „Die SPD wird sich nicht an den Ländern orientieren, die die weitesten Befugnisse haben.“