Wundersamer Befreiungsschlag

WENDE Weil Uli Hoeneß seine dreieinhalbjährige Haftstrafe akzeptiert, wird er mit Respektsbekundungen überhäuft. Dabei blieb ihm kaum eine andere Wahl

VON JOHANNES KOPP

Wer gedacht hat, dass Uli Hoeneß als moralische Instanz ausgedient hat, wurde am Freitagmorgen eines Besseren belehrt. Anders als seine Anwälte am Tag zuvor angekündigt hatten, wird Uli Hoeneß das Urteil der 5. Strafkammer des Landgerichts München nicht anfechten und die Haftstrafe von dreieinhalb Jahren akzeptieren, die er für die Steuerhinterziehung von 28,5 Millionen Euro erhielt. In einer persönlichen Presseerklärung, die um 10.05 Uhr von den Nachrichtenagenturen verbreitet wurde, machte er etwas überraschend moralische Beweggründe geltend: „Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung. Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich.“ Zu dieser Entscheidung, so Hoeneß, sei er nach Gesprächen mit seiner Familie gekommen.

Weit weniger überraschend war unterdessen seine Ankündigung, dass er seine Ämter als Präsident des FC Bayern München e. V. und Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG niederlegen wird. Damit kam der 62-Jährige lediglich einem Rauswurf aus dem Verein zuvor und konnte sich zudem als Ehrenmann präsentieren: „Ich möchte damit Schaden von meinem Verein abwenden. Der FC Bayern München ist mein Lebenswerk, und er wird es immer bleiben. Ich werde diesem großartigen Verein und seinen Menschen auf andere Weise verbunden bleiben, solange ich lebe.“

Rechtskräftig ist damit das Urteil aber noch nicht, wie das Landgericht München betonte. Die Staatsanwaltschaft, die eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gefordert hatte, habe sich vorbehalten, bis zum 20. März gegen das Urteil Einspruch einzulegen. Theoretisch könnte das Strafmaß für Hoeneß auch noch in die Höhe geschraubt werden.

An einem rein moralisch motivierten Revisionsverzicht von Hoeneß zweifelt der bekannte Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate. Er sagte dem Hamburger Abendblatt, der Entschluss sei für ihn ein „untrüglicher Hinweis“ auf informelle Absprachen. Hoeneß könne sich über das milde Urteil freuen. In Bayern müsse man in einem Steuerhinterziehungsfall solchen Ausmaßes mit Haftstrafen zwischen acht und zehn Jahren rechnen. Zuvor hatten auch Strafrechtsexperten die Erfolgsaussichten einer Revision des Urteils gegen Uli Hoeneß beim zuständigen Bundesgerichtshof in Karlsruhe als sehr gering veranschlagt, weil es dort lediglich um Rechts- und Verfahrensfehler gehe. Statistisch betrachtet haben dort Revisionen eine Erfolgschance von 3,8 Prozent.

Die Führungskräfte des FC Bayern München, die am Donnerstag das Urteil nicht kommentieren wollten, ließen auch am Freitag einige Zeit verstreichen, ehe sie sich gegen Mittag zu Wort meldeten. Und das nur, um zu verkünden, dass Herbert Hainer, der Vorstandsvorsitzende der Adidas AG, den Chefposten von Uli Hoeneß im Aufsichtsrat der FC Bayern München AG übernehmen wird. Für die Entscheidung von Hoeneß, seine Ämter niederzulegen, bekundete der Aufsichtsrat in einer Pressemitteilung Respekt und „größte Hochachtung“. Herbert Hainer erklärte: „Uli Hoeneß hat mit seinen Führungsqualitäten, seinem hohen persönlichen Einsatz und seiner herausragenden Lebensleistung immer dem Wohle des FC Bayern München gedient.“ Über die jüngsten überraschenden Wendungen im Prozess gegen Uli Hoeneß, die offenbarten, dass der Präsident des FC Bayern viel mehr Steuern hinterzogen hatte als bislang zugegeben, schwiegen sich die Vereinsoberen aus.

Es scheint, als ob Uli Hoeneß mit seinem Schuldbekenntnis vom Freitag ein wundersamer Befreiungsschlag gelungen ist. Sowohl Linke-Fraktionschef Gregor Gysi als auch Angela Merkel und etliche andere wie der Bayern-Sponsor Allianz bekundeten ihren „Respekt“. Die Bundeskanzlerin teilte gar mit: „Die Tatsache, dass Uli Hoeneß jetzt dieses Urteil so angenommen hat, nötigt mir hohen Respekt ab.“ So viel Lob hat gewiss noch kein derartig hochklassiger Steuersünder erhalten. Vergessen scheinen bei all der Bewunderung für Hoeneß, dass einige noch offene, möglicherweise strafverfolgungswürdige Fragen nicht geklärt sind. Mit welchen Summen hantierte Hoeneß genau, was hat es mit Barabhebungen auf sich, und wer wusste möglicherweise im Verein davon?