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Archiv-Artikel

Hamburger Ökonom will Bremen retten

Drei Wirtschaftswissenschaftler stellten ihr wissenschaftliches „Programm zur dauerhaften Sicherung der Selbständigkeit des Landes Bremen“ vor. Dabei soll auch ein neues Finanzausgleichs-Modell entstehen – mit weniger Solidarität

Von Klaus Wolschner

Hamburg will Bremen beim Kampf um die politische Selbständigkeit als Bundesland helfen – jedenfalls auf dem Felde der Wissenschaft. „Programm zur Dauerhaften Sicherstellung der Selbständigkeit des Landes Bremen“, ist der anspruchsvolle Titel. Neben dem Bremer „BAW Institut für Wirtschaftsforschung“ will das Hamburger Weltwirtschafts-Institut (HWWI) wissenschaftliche Argumente dazu beisteuern. HWWI-Leiter Thomas Straubhaar stellte gestern zusammen mit dem Bremer Kollegen Frank Haller und dem Kölner Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Kitterer das Programm vor. Die Sparkasse Bremen, die Bremer Stadtwerke „swb“ und andere private Firmen haben dafür 450.000 Euro Forschungsmittel aufgebracht.

Wobei für den Chef des HWWI – anders als für den Bremer Partner – die Selbständigkeit „kein Selbstzweck“ ist, wie er betonte. Aber Straubhaar geht mit einem positiven Gefühl an die Sache: „Die Zeit spricht für Stadtstaaten“, sagt er, eben weil es einen „Trend“ zur Stadt gebe. Nur muss die Stadt sich eben schick und attraktiv machen, „events“ organisieren, und „landmarks“ bauen, Leuchttürme in architektonischer Hinsicht. Ihm fallen dafür Hamburger Beispiele ein: die Fußballweltmeisterschaft, die Olympia-Bewerbung, die Elbphilharmonie. Bremen hat derweil seine Sanierungsmilliarden schon ausgegeben, ohne vergleichbare „Leuchttürme“ zu schaffen. Wie Bremen sich trotz der erforderlichen strikten Sparpolitik attraktiv „aufstellen“ kann, das wollen die Wissenschaftler erkunden.

Unter dem Stichwort Strukturanalyse haben sie die bekannten Daten zur Ausgangslage aufbereitet: Bei der Kennziffer Wirtschaftskraft liegt Bremen im Großstädtevergleich knapp hinter Hannover, weit abgeschlagen hinter Hamburg. Das Land Bremen gibt pro Einwohner gerechnet aber fast doppelt so viel zur Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E) aus. Da hat Bremen auch Nachholbedarf – die Zahl der Beschäftigten in F&E-intensiven Wirtschaftszweigen ist deutlich geringer als in Hamburg. Die Wissenschaftler werten solche Ausgaben als Zukunftsinvestitionen.

Zwei Probleme ergibt der Blick auf die Statistik: Trotz eines guten Wirtschaftswachstums in den fetten Jahren der Bremer Sanierungspolitik ist die Zahl der Erwerbstätigen seit 1996 nicht gestiegen. Hamburg dagegen schaffte ohne den Geldsegen aus Berlin ein Plus von 0,6 Prozent. Zweites Problem: In Bremen schlägt sich das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) sehr viel weniger in Steuereinnahmen nieder als in Hamburg oder in anderen westdeutschen Ländern. Da die Bremer Krise eine der Staatsfinanzen ist, wäre die Analyse dieses Punktes entscheidend. Der steht allerdings bisher nicht auf der Liste der zu bearbeitenden Themen.

Was die Schulden angeht, die Bremen durch die Gewährung üppiger Zuschuss-Subventionen an die Wirtschaft aufgehäuft hat, so setzt der Forschungsverbund auf den Kölner Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Kitterer. Der will gleich für die gesamte Republik einen neuen Länderfinanzausgleich entwerfen. Transparenter soll das System sein, etwas „Steuerwettbewerb“ ermöglichen – und vor allem soll die Steuerverteilung weniger stark am Prinzip der Solidarität mit den Schwachen ausgerichtet sein als vielmehr am Prinzip der Wertschöpfung: Die Wirtschaftsstarken und damit auch die Städte sollen weniger abgeben müssen.

In der Finanzpolitik wird das Modell „Wettbewerbsföderalismus“ seit längerem diskutiert. Wie es politisch durchsetzbar sein soll, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Bundeskanzlerin kann im Interesse der ostdeutschen Bundesländer nicht dafür sein, die meisten sozialdemokratisch regierten Bundesländer auch nicht.

So ist nicht verwunderlich, das die wissenschaftliche Initiative zur „dauerhaften Sicherstellung der Selbständigkeit“ Bremens auch mit dem Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) nicht abgestimmt ist. „Es soll freundschaftlich gemeint sein, ein Angebot“, formulierte Haller. Als Staatsrat für Wirtschaft war er vor 15 Jahren einer der wesentlichen Architekten des gescheiterten Programms zur Sanierung der Bremer Staatsfinanzen gewesen. Das Bremer Rathaus hätte ihm diesen Retter-Auftrag sicher nicht noch einmal gegeben.