: Es gibt ein Kino unter 90 min
HIPPEN EMPFIEHLT In den drei Programmblöcken „Kurz und gut“ werden im Kino 46 nominierte und prämierte Einreichungen für den Deutschen Kurzfilmpreis 2009 gezeigt
VON WILFRIED HIPPEN
Bei Kurzfilmen hat man manchmal das Gefühl, das Orchester sei größer als das Publikum. Nicht nur als Semester- und Abschlussarbeiten der Film-, Kunst- und Medienstudiengänge werden in Deutschland Hunderte von Kurzfilmen pro Jahr gedreht.
Es gibt auch noch eine Vielzahl von Überzeugungstätern, die zwar nicht unbedingt dem Klischee entsprechen und gleich das Eigenheim der Eltern für ein paar Meter Zelluloid opfern, aber doch viel Geld, Energie und den guten Willen von Freuden und Kollegen dafür nutzen, noch einen Kurzfilm zu machen. Dem stehen extrem wenige Möglichkeiten gegenüber, Kurzfilme auch zu zeigen. Der kommerzielle Kinobetrieb fällt dafür völlig aus, und wenn das Bremer Kino 46 jeweils pro Monat einen Kurzfilm als Vorprogramm zeigt, ist dies schon eine löbliche Ausnahme. Immerhin wird seit 1956 der Deutsche Kurzfilmpreis verliehen. Fast ebenso wichtig wie der Preis selber ist das Projekt „Deutscher Kurzfilmpreis-Unterwegs“, das einige der nominierten und die prämierten Filme auf Reisen schickt, denn so werden einige von ihnen dann doch von einem etwas größere Publikum gesehen. In drei Programmblöcken wird das Programm von 2009 an diesem Wochenende im Bremer Kino 46 gezeigt.
Am Freitag sind fünf Kurzfilme zu sehen, darunter drei Preisträger. In der Kategorie „Dokumentarfilm mit einer Laufzeit bis 30 Minuten“ gewann etwa „Wagah“ von Supiyo Sen den Preis „in Gold“. Darin werden die absurden Zeremonien an der indisch-pakistanischen Grenze gezeigt.
Jeden Tag pilgern Tauschende von Zuschauern auf beiden Seiten der Grenze zum einzigen Übergang, der zwischen den beiden Staaten existiert und bejubeln jeweils ihre Mannschaften bei der Wachablösung, die bis auf die letzte Bewegung genau choreographiert ist und in ihrem ultra-patriotischem Pathos verblüffend an Hahnenkämpfe erinnert. Der Regisseur musste mit Filmteams auf beiden Seiten der Grenze arbeiten, die sich nie treffen durften, aber nicht nur durch die abenteuerlichen Produktionsbedingungen ist dies ein filmisches Fundstück.
Ebenfalls von der Auswahljury „vergoldet“ wurde der 6 Minuten lange „Kokon“ von Till Kleinert, in dem davon erzählt wird, wie ein Teenager sich die Haare schneiden lässt. Viel mehr Handlung braucht ein Filmemacher nicht, wenn er so intensiv und authentisch ein Lebensgefühl heraufbeschwören kann. In diesem zarten Film wird fast alles körperlich ausgedrückt: mit Bewegungen, Gesten, Blicken, einem zögerlichen Lächeln.
Am Samstagabend werden fünf längere Kurzfilme gezeigt, und mit „Radfahrer“ ist einer darunter, der perfekt zu den Feierlichkeiten des 3. Oktober passt. Dabei ist diese Dokumentation formal eher ein Experimentalfilm, denn Regisseur Marc Tümmler hat kein eigenes Bild oder Wort verwendet. Zu sehen sind ausschließlich Schwarzweiß-Fotografien, die Harald Hauswald in den Achtzigerjahren vom Alltag in der DDR machte, und auf der Tonspur hört man Auszüge aus den Stasi-Akten des DDR-Künstlers.
Am Sonntag wird schließlich eine Dokumentation gezeigt, die mit 60 Minuten kaum noch als Kurzfilm durchgehen dürfte und wohl auch deshalb mit einem Sonderpreis bedacht wurde. In „Die Haushaltshilfe“ sieht man, wie die junge Slowakin Martina nach Deutschland reist, um dort als Pflegerin bei zwei alten gebrechlichen Menschen zu arbeiten. Das Leben ist sowohl für die beiden Alten wie auch für ihre Pflegerin eine Plage. Zwischen ihnen herrscht eine Kälte, die die Regisseurin Anna Hoffman mit einem genauen Blick für Nuancen einfängt.