Wie Frau Bergmann graue Haare bekam

Um den riesigen Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern zu bekämpfen, würde ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft jetzt endlich prima passen, finden die Gewerkschaften und Ex-Ministerin Christine Bergmann (SPD)

VON HEIDE OESTREICH

Wer wissen will, warum Frauen im Schnitt 20 bis 30 Prozent weniger verdienen als Männer, braucht nur einmal in eine Arbeitsagentur zu gehen. Ex-Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) hatte dazu als Ombudsfrau für die Umsetzung der Hartz-Reformen reichlich Gelegenheit.

„Wissen Sie, was die Frauen anbieten?“, fragt Bergmann. „Call-Center, Call-Center, Call-Center. 40 Stunden die Woche für 600 Euro im Monat. Oder Mini-Jobs, oder Midi-Jobs. In all diesen Bereichen arbeiten überwiegend Frauen.“ Wer meint, dass Frauen so ihre Existenz sichern können, der muss sich nicht wundern, wenn das Lohngefälle so eklatant bleibt, sagt die Exministerin.

Die Arbeitsagenturen sind natürlich wenig schuld daran, dass sie nur solch schlechte Jobs im Angebot haben. Und auch die Politik hat mit den Minijobs nur eine Komponente mehr geschaffen, die in diesen Lohnunterschied mündet. Die Ursachen dafür, dass Deutschland einen der größten Lohnunterschiede in alten EU hat, sind vielfältig.

Was man dagegen tun kann, auch. Am Montag ergründete die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin, ob die Frauen „Gleich am Ziel“ seien – und welche gesetzlichen Möglichkeiten die Politik schaffen könnte, falls man die Frage verneinen müsse. Exministerin Bergmann verwies dabei auf die grauen Haare, die ihr „unter den gefärbten blonden“ gewachsen seien, als sie 2001 vergeblich versuchte, ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft durchzusetzen.

Ein solches Gesetz forderte nun erneut DGB-Vize Ingrid Sehrbrock. Mit Interesse habe sie gesehen, wie aktiv Unternehmen sich darum kümmerten, Klagen nach dem neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu vermeiden. Das Gesetz verbietet Diskriminierungen unter anderem auch wegen des Geschlechts. „Ein Gleichstellungsgesetz hätte einen ähnlichen Aktionsschub bewirken können“, stellte Sehrbrock fest.

Immerhin kann man das AGG auch nutzen, wenn es etwa um Lohndiskriminierung im Betrieb geht, stellte Ute Brutzki vom Ver.di-Bundesvorstand klar. Doch hätte ein Gleichstellungsgesetz eben die Unternehmen zum Handeln verpflichtet. Sie hätten sich selbst eine Art Frauenförderplan geben müssen und damit auch im Auge behalten, dass Frauen nicht ausschließlich in Minijobs oder im Callcenter landen.

Die neue Leiterin der Gleichstellungsabteilung im Frauenministerium, Eva Maria Welskop-Deffaa, will dieses Fass aber offenkundig nicht mehr aufmachen. Sie betonte wortreich, dass die freiwillige „Vereinbarung zur Chancengleichheit“, mit der die Wirtschaft seinerzeit das Gesetz verhinderte, auf gutem Wege sei. Mit den Bilanzen sei man zwar noch nicht zufrieden, aber deshalb werde nun ja auch der „Dialog intensiviert“ und „wirklichkeitsnäher“ gestaltet. Im Klartext: Vom Ministerium Ursula von der Leyens (CDU) ist in Sachen Gesetz nichts zu erwarten.

Das Publikum wollte das so nicht hinnehmen: So erklärte die Gleichstellungsbeauftragte der IT-Betriebe der Berliner Verwaltung, dass ihre Personalchefs immer wieder fast nur Männer bei Neueinstellungen vorschlagen. Sie als Frauenbeauftragte nominiere dann meist Frauen nach, die dann auch oft eingestellt würden. Einen stereotypen Blick könne man eben dann bekämpfen, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gebe, erklärte sie: „Unser Landesgleichstellungsgesetz hat jedenfalls Früchte getragen.“

Carlotta Köster-Brons vom BDI hielt offen dagegen: Mit so einem Gesetz hätten die Betriebe ja die Situationen von Frauen und Männern in allen Bereichen erfassen müssen. „Ganze Unternehmen hätten gegendert werden müssen“, meinte sie. „Jawoll!“, hieß es aus dem Publikum.