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Archiv-Artikel

Gammelfleisch in Großküchen

Fleischskandal und kein Ende: Ein Händler verkauft bereits beschlagnahmte acht Tonnen Uralt-Putenfleisch weiter. Der Landtag in Hannover debattiert dennoch, ob die Kontrollen ausreichen

von Kai Schöneberg

Guten Appetit in Dönerbuden, an der Fleischtheke – und jetzt auch in Mensen, Kantinen, Krankenhäusern oder Altenheimen. Etwa acht Tonnen uralte, mit Salzwasser wieder aufgepeppte Pute sind offenbar an vier Großküchen geliefert worden. Das Unerklärliche: Der bereits einschlägig vorbestrafte und mit Berufsverbot belegte Fleischhändler Alfons Bünnemeyer aus Lastrup im Kreis Cloppenburg hat das bereits im November 2005 beschlagnahmte Gammelfleisch aus einem Kühlhaus in Hamburg abgeholt, um es anschließend zu verkaufen. Das Fleisch soll nach der Lagerung in Brandenburg in mehreren Bundesländern gelandet sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Oldenburg fürchtete gestern, dass ein Großteil der Ware bereits verzehrt ist. Die Namen der Großküchen wollte ein Sprecher aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen. Immerhin: Der 46-jährige Händler sitzt nun wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird wegen gewerbsmäßigen Betruges und Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz in zehn Fällen ermittelt.

Bünnemeyer wurde laut Staatsanwaltschaft bereits 1987 erstmals verurteilt, weil er trotz eines befristeten Berufsverbotes mit Fleisch gehandelt hatte. Über drei Anklagen wegen Betruges und Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz, die auf Beschlagnahme von Gammelfleisch in zwei niedersächsischen Betrieben Bünnemeyers und einem Kühlhaus in Hamburg zurückgingen, muss noch verhandelt werden. Im November 2005 war bekannt geworden, dass Bünnemeyer große Mengen verdorbenes Geflügelfleisch auch an Döner-Buden verkauft haben soll. Daraufhin verhängte das Landwirtschaftsministerium ein Berufsverbot.

Es hat offenbar wenig genützt. Ob die Kontrollen gegen Ekelfleisch und seine Händler sicher genug sind, wurde gestern im Landtag in Hannover munter diskutiert. Niedersachsen gehe „ganz konsequent gegen Kriminelle in der Fleischbranche vor“, sagte Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU). Die zuständige Staatsanwaltschaft in Oldenburg habe dies mit der Verhaftung des Fleischhändlers bewiesen. Ehlen setzte sich erneut für eine gesetzliche Meldepflicht für Fleisch ein, das dem Händler bei der Lieferung verdächtig erscheint. Bislang schicken Händler auffällige Ware meist ohne Hinweis an die Behörden zurück zum Verkäufer.

Der Opposition ist das nicht genug: „Heute ist München dran, morgen kann es wieder irgendwo in Niedersachsen sein“, sagte Karin Stief-Kreihe von der SPD. Ein 13-Punkte-Katalog Ehlens zur Verbesserung der Lebensmittelüberwachung habe den gleichen Inhalt wie ein vor einem Jahr beschlossenes Zehn-Punkte-Sofortprogramm. Umgesetzt sei bislang so gut wie nichts, es habe weder mehr Geld noch mehr Personal für Kontrollen gegeben. Der Landwirtschaftsminister wolle die Branche nicht verärgern, sagte Stief-Kreye. Und: „Wir wollen keine markigen Sprüche, sondern dass schwarzen Schafen das Handwerk gelegt wird.“

„Die Lebensmittelkontrolle funktioniert so gut, dass ein seit 1987 bekannter Fleischfälscher unter den Augen der Staatsanwaltschaft beschlagnahmtes Fleisch weiter verticken kann“, sagte der Grüne Hans-Jürgen Klein. „Als ich hier im November 2005 von Fleischmafia sprach, war noch große Empörung auf ihrer Seite“, rief Klein in Richtung CDU. Inzwischen rede selbst die Fleischindustrie von „organisierter Kriminalität“. Gerade mit Blick auf den aktuellen Fall sei es schlicht „dreist“, wenn sich Niedersachsen als „Musterknabe“ darstelle. Klein: „Wenn sie das Gammelfleisch einfärben würden, hätte Bünnemeyer seien Coup nicht landen können.“

siehe Bericht SEITE 9