: Neue Ökosteuer mit „hohem Hetzpotenzial“
Eine ökologische Steuerreform brächte genauso viel Geld wie die Mehrwertsteuererhöhung – und würde das Klima schützen. Nicht schlecht, heißt es aus dem Finanzministerium. Aber es gäbe keinen Politiker, der sich das traut
BERLIN taz ■ Benzin wird im Januar um 6 Cent teurer. Das rechnet Kai Schlegelmilch vom Förderverein Ökologische Steuerreform (FÖS) vor. Ökologische Steuer? Ökosteuer? 6 Cent? Wer da einen Zusammenhang sieht, sei auf dem Holzweg, so Schlegelmilch: Die Verteuerung setze sich zusammen aus der Mehrwertsteuererhöhung und der neuen Besteuerung der beizumischenden Biokraftstoffe.
Unter der Überschrift „Nachhaltige Finanzpolitik“ diskutierten Steuerfachleute gestern in Berlin mit Politik und Industrie. Tenor: Nicht alles Schwarz-Rote ist schlecht, aber vieles war unter Rot-Grün besser. „Zum Beispiel die Ökosteuer: Der Kraftstoffverbrauch ist zwischen 2000 und 2005 um 17,8 Prozent gesunken“, so Schlegelmilch. Gegner der Ökosteuer bezweifeln dies: Der Rückgang resultiere lediglich daraus, dass Deutschlands Autofahrer nach Polen oder Österreich zum Tanken fahren – dem Staat also Milliarden verloren gehen. „Wie ist dann zu erklären, dass binnen 5 Jahren 5,5 Prozent mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel benutzen?“ Bei Car-Sharing, so Schlegel, lag der Zuwachs sogar bei 86 Prozent. „Die Ökosteuer brachte 18 Milliarden Euro, ebenso viel, wie die erhöhte Mehrwertsteuer bringen soll.“
Die FÖS-Leute präsentieren deshalb ein Gegenkonzept: Angleichung der Dieselsteuer an Benzin, Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Firmenwagen auf 3,5 Liter je 100 Kilometer, Abschaffung der Steuerbefreiung von Flugbenzin, Entfernungspauschale auf 10 Cent senken. Auch mit diesen Maßnahmen komme man auf 18 Milliarden Euro mehr für den Staatshaushalt. Schlegelmilch: „Warum nicht lieber eine Steuerpolitik, die das Klima rettet?“
„Dafür gibt es keine politische Mehrheit“, sagt Barbara Hendricks, die als Staatssekretärin bereits dem dritten Finanzminister dient. Die Vorschläge seien „nicht schlecht“, hätten „aber ein hohes Hetzpotenzial“. Aktuell sehe sie nirgends einen Politiker, „der sich da rantraut“. „Die Mehrwertsteuer streut anders“, so die SPD-Politikerin. Da Waren des täglichen Bedarfs nicht teurer werden, würden untere Einkommensschichten nicht so stark belastet, wie das bei einer neuen Energiesteuerrunde der Fall wäre.
Es folgt die Stunde der Lobbyisten. Alerte Herren der Wirtschaftsvereinigung Stahl oder des Verbands der Chemischen Industrie wollen nur „einen Hinweis“ geben: Wichtig sei doch, ob eine Firma vor oder hinter der Grenze zu Tschechien angesiedelt ist. Würde Strom staatlicherseits auch „nur 5 Prozent teurer, ist deutscher Stahl auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig“. – Die Arbeitsplatz-Drohung sei „langweilig und dumm“, sagte FÖS-Vorsitzender Anselm Görres. „Untersuchungen belegen, dass die Ökosteuer 250.000 Jobs geschaffen hat.“ Es sei auch falsch, wie Hendricks „ständig auf die Bild-Zeitung oder Politbarometer“ zu schauen. Der Ex-Umweltminister Jürgen Trittin habe vorgemacht, dass man auch durch Anecken erfolgreiche Politik machen kann. Görres: „Das ist bei seinem Nachfolger ganz anders: Dessen einziges politisches Ziel schein in dieser Legislatur zu sein: zwei Atomkraftwerke abzuschalten.“NICK REIMER