halbzeit beim musikfest
: Der Konzertsaal als Labor

taz: Das Musikfest hat Halbzeit, es müssten jetzt die etwa Hälfte der insgesamt 773 KünstlerInnen aufgetreten sein. Läuft alles erwartungsgemäß?

Intendant Thomas Albert: Wir liegen gut im Wind, hatten bislang 10.000 Zuhörer, so dass wir die angepeilten 75 Prozent Auslastung locker schlagen werden.

Der Musikfest-Trend geht zur Oper. Suchen Sie damit den Anschluss an die großen Festivals?

In Salzburg war es ja durchaus umstritten, ob die im vergangenen Jahr gemeinsam produzierte Mozart-Oper „Mitridate“ zu den Festspielen passt - dann aber war es auch dort ein grandioser Erfolg. Zum ersten Mal saß dort ein Originalklang-Ensemble im Graben. Beim Bremer Musikfest ist das Standard, aber dort war es eine Revolution. Insofern war „Mitridate“ ein Weckruf für Salzburg.

Das heißt, Bremen ist jetzt Junior-Partner für die große Musikfestivals geworden?

Wir haben in der Tat ein Segment für Salzburg entwickelt, das ja in diesem Jahr mit „Il Re Pastore“ weiter ausgebaut wird, auch zusammen mit dem Bonner Beethovenfest. Dabei muss man natürlich darauf achten, dass man nicht in einen Koproduktions-Zirkus gerät, sondern dass die Programme inhaltlich stimmig sind. Ich lege immer Wert darauf, dass Aufführungen nicht nur deswegen nach Bremen kommen, weil sie bei irgendwem in den Reisekalender passen. Sonst wird viel zu viel Geld an Beliebiges gebunden.

Gestern wurde der Weltstar-Mezzo Anne Sofie von Otter zur aktuellen Musikfest-Preisträgerin gekürt. Was sind die Kriterien bei der Preisvergabe?

Wir zeichnen Leute aus, die Akzente für unser Festival-Profil setzen und zur Weiterentwicklung des internationalen Musiklebens beitragen.

Man könnte da aber schon den Eindruck haben, dass Sie die großen Namen sammeln.

Marc Minkowski, der letztjährige Preisträger, war bislang in Deutschland nicht in dem Maße bekannt und präsent.

Aber mit Jessye Norman, Gidon Kremer, Harnoncourt und fast allen anderen der bisherigen PreisträgerInnen sammelt Bremen geradezu die Stars.

Wenn dadurch ein Marketing-Effekt entsteht, ist das doch ein schöne Sache. Im übrigen haben auch die von Ihnen genannten Künstler hier nicht ihre goldenen CDs abgesungen, sondern entwickeln hier etwas und proben, das ist eine Laborsituation. Die Auszeichnung hat viele Facetten. Zusammen mit dem Deutschlandfunk vergeben wir ja auch einen Förderpreis für KünstlerInnen an der Schwelle zur Karriere.

Bei Lera Auerbach, der letztjährigen Preisträgerin, war diese Schwelle aber schnell überschritten – sie wurde sogar in „Bahn mobil“ porträtiert.

Dann war die Bahn ausnahmsweise mal pünktlich und hat uns eingeholt. Jedenfalls heißt es beim Förderpreis nicht: Hier hast du 5.000 Euro, kauf‘ Dir einen alten Golf – oder einen neuen Geigenbogen – sondern der Preis ermöglicht intensive künstlerische Arbeit, inklusive einer Produktionswoche beim Deutschlandfunk. Dann ist mir „Bahn Mobil“ doch egal.

Wichtiger ist vielleicht auch die Feuilleton-Kritik des aktuellen Auerbach-Konzertes, derzufolge ihre Musik „aufgewärmtes Sauerkraut“ sei, die Texte „Nescafé-Pathos“ hätten und einem alles „bestürzend niedlich“ vorkomme.

Es gibt Leute, die ganz andere Bewertungen vornehmen. Lera Auerbach hat jetzt weltweit Erfolg, die Leute hören ihr zu. Es gibt eben wieder eine Emotionalisierung in der zeitgenössischen Musik, und ich finde es sehr schade, wenn so etwas ausgegrenzt wird.

Ihr Etat umfasst 2,7 Millionen Euro, Sie haben 28 Sponsoren – welchen Anteil übernehmen die an den Gesamtkosten?

Gut die Hälfte. Von der öffentlichen Hand gibt es dieses Jahr noch 882.000, im nächsten Jahr dann nur noch 700.000 Euro.

Hat das zur Konsequenz, dass Sie bei Ihrer Programmplanung zunehmend private Interessen berücksichtigen müssen?

Klare Antwort: Nein.

Ein Gutachten hat dem Musikfest mal ein stärkeres „Profil mit Bremenbezug“ empfohlen, andererseits findet ein Drittel der Konzerte mittlerweile im Umland statt. Wie ist das zu vereinbaren?

Es funktioniert im Umkehrschluss: Die Aktivierung der Fläche stärkt Bremen in seiner oberzentralen Funktion. Die Leute sind begeistert, überall im Nordwesten haben wir engagierte Sponsoren gefunden. Es ist sogar so, dass das Musikfest den Prozess der Entwicklung einer gemeinsamen Metropolregion mitgezündet hat.

Interview: Henning Bleyl