Treue Seele
Eigentlich müsste er doch genug haben: 15 Jahre lang rennen, schwitzen, leiden und jubeln für ein und denselben Verein. „Ich habe hier alles“, sagt Steven Cherundolo, der gerade seine Karriere beim Fußball-Bundesligisten Hannover 96 beendet hat – und trotzdem nicht loslassen mag. Warum aber bleibt dieser smarte 35-Jährige, dessen Heimat das kalifornische San Diego ist, in Hannover?
Dem Ende seiner bemerkenswerten Laufbahn als Spieler, der nach drei Knieoperationen nicht mehr wie erhofft auf die Beine kam, lässt Cherundolo gleich einen Neubeginn folgen: Als Trainer assistiert er künftig bei einer U 23-Mannschaft und bekommt einen unbefristeten Arbeitsvertrag – bei Hannover 96. Wo auch sonst?
Vertrauensvoll, offen, ehrlich, kritisch, positiv, vorbildlich: Dass der rekordverdächtig treue Cherundolo bei jeder erdenklichen Gelegenheit mit Lob überschüttet wird, hat seine Gründe. Martin Kind, als Präsident von Hannover 96 ein eher von Sachlichkeit bestimmter Typ, kam im Rahmen seiner Abschiedsrede für „den Stevie“ derart ins Schwärmen, dass sich jeder Zuhörer im falschen Film gewähnt haben muss.
Wenn es eine Branche gibt, mit der man die Begriffe Freundschaft, Treue und Dankbarkeit nicht ohne weiteres in Verbindung bringt, dann der Profisport. Die Bundesliga lebt von einem Multikulti, das erzwungen und gekauft ist. Unter all den Berufsfußballern, die von Verein zu Verein ziehen, von Land zu Land, ist Cherundolo ein Auslaufmodell: Er hat eine Deutsche geheiratet und im berühmten Großburgwedel ein Haus gebaut. Sein Engagement für die Integration von Ausländern war für ihn stets Ehrensache.
„Ich bin und bleibe Amerikaner. Und ich bin sehr gerne Hannoveraner“, sagt der Rechtsverteidiger. Akzentfreie Sätze wie diese sind bei ihm nicht aufgetragen, sondern ehrlich. Mit Cherundolo geht in Hannover ein Mannschaftskapitän von Bord, der ein besonders liebevolles Bye-bye verdient. OTO