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Archiv-Artikel

Muffige Erfolge

Nach dem 1:1 gegen den VfL Bochum steht Nürnberg noch immer vorn. Ein Verdienst von Trainer Hans Meyer?

NÜRNBERG taz ■ Dass sie Hans Meyer in Nürnberg regelrecht lieben, ist ein Gerücht. Man braucht nur in die Gesichter der Fragesteller zu schauen, die in den Pressekonferenzen nach den Spielen sitzen. Mancher fragt schon lang nichts mehr. Anderen macht es anscheinend gar nichts mehr aus, verspottet zu werden, und wieder andere legen es drauf an, dass er einen Spruch „raushaut“, wie die Fußballsportler gerne sagen.

Er tut es. Regelmäßig und gerne. Und nicht immer enthält die Antwort eine Antwort. „Wenn hier einer versucht, mir einen Heiligenschein aufzusetzen, dann reiße ich ihn mir sofort wieder runter“, sagt Hans Meyer, als wolle er als einsamer Kämpfer dem künstlichen Fußballzirkus und seinen Begleiterscheinungen die Maske vom Gesicht reißen. Die Atmosphäre wirkt oft genug so, als warte man nur noch darauf, Meyer von seinem Podium herabsteigen zu sehen, damit er er durch die Stuhlreihen der Journalisten schlendern kann, um ihre Notizblöcke auf Rechtschreibfehler zu überprüfen. „Herr Meyer“, fragt einer, „an Ihrer Körpersprache konnte man ablesen, dass Sie gelitten haben?“ Meyer, der im Gegenzug gerne Wildfremde duzt, sagt: „Sah ich so aus, dass ich krank werden könnte? Wenn das so ist, höre ich sofort auf.“ Von unten klingt Gelächter herauf. Meyer macht sich einen Spaß aus vielem. Auch aus dem Umstand, der eine neue Euphorie im Reiche der Franken heraufbeschwor, weil es sportlich viel besser läuft als erwartet und der Club nach dem 1:1 vom Samstag gegen den VfL Bochum immer noch an der Tabellenspitze steht.

Meyer aber bleibt Meyer und findet die Aufregung überflüssig und aufgesetzt. Der 63-Jährige schimpft und brüllt wie gehabt auf dem Trainingsplatz, als bekomme er jedes Wort extra bezahlt. „Wir werden mit Sicherheit nicht deutscher Meister“, sagt derweil Martin Bader, der Manager. Der hat Meyer aus Berlin von der Hertha geholt, als ihn die halbe Republik auslachte, weil Bader keinen Trainer zu finden schien. Meyer und Bader, das behaupten viele, kämen bestens miteinander aus. Man hat sich gegenseitig etwas zu verdanken. Zuallererst den Job und dann den Beifall, der auf beide niederprasselt. Vergangene Rückrunde gab es 30 Punkte, nie war der Club besser, mal abgesehen von der letzten Meisterschaft 1968.

Als nun dies 1:1 gegen Bochum passierte, da schauten doch einige enttäuscht drein. Vielleicht hatten sie eines dabei vergessen: Der Club schaffte es erst einmal, zwei Jahre in Serie in der Bundesliga zu spielen. Und: Lange ist es noch nicht her, als Nürnberg gegen Bochum ein Abstiegsduell war. Jetzt kann es sich der Verein sogar leisten, ein Angebot des HSV für Robert Vittek (Beruf: Torjäger) auszuschlagen. Nein zu sagen ist ein Luxus, den sie in Nürnberg lange Zeit nicht kannten. Bader hat indes andere Dinge vor, als jetzt schon Meisterschaften zu sammeln.

Sie sagen es nicht offiziell, aber intern sehr wohl. Sie gehören ganz da oben einfach nicht hin. Für Bader geht es darum, den Club dauerhaft unter den Teams zu etablieren, die um Platz fünf spielen können. Nun lässt man die beiden arbeiten und selbst Michael A. Roth, dessen Wangen bei jedem Sieg glänzen wie kleine rote Äpfelchen, hält still. Mit dem Präsidenten, Herrscher über ein ansehnliches Teppichimperium mit Millionenumsätzen, gab es auch andere Zeiten. Hans Meyer, sagt Bader, war seine „letzte Patrone“. Wenn er mit ihm keinen Erfolg gehabt hätte, wäre er selbst entlassen worden. So werkelt Bader mit Erfolg im Hintergrund. Hier eine neue Rasenheizung, dort ein neues Internat für den Nachwuchs. Und er freut sich über die neue Lust der Fans, ins Stadion zu kommen. Ausverkauft gegen Mönchengladbach, über 40.000 Zuschauer gegen Bochum. Das sind viel mehr Zuschauer als früher. Liegt es also doch an Meyer, an seiner Arbeit, die eine fittes Team hervorbrachte, und an seinen Sprüchen? Er habe schon bei Hertha BSC Berlin nicht das Gefühl gehabt, die Spieler stöhnten auf, wenn er, der „alte Knacker“, in die Kabine kam, und erleichtert waren, als der schon „etwas muffig Riechende“ endlich weg war. Solange das nicht so sei, mache er, Hans Meyer, weiter.

OLIVER TRUST