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Archiv-Artikel

Zufluchtsorte in Gefahr

PROTEST „Gehen Sie über Leichen?“: Mitarbeiterinnen aus schleswig-holsteinischen Frauenhäusern demonstrieren vor dem Kieler Landtag: Zwei der Einrichtungen sollen geschlossen werden

Von einer SPD-Landesregierung, sagt Parteichef Ralf Stegner, „wird das korrigiert“

Bunte Isomatten liegen vor den Stufen, Silhouetten sind mit Kreide aufs Pflaster gemalt worden, Plakate an Geländer geknotet. „Erst die Prügel und dann die Finanzkeule“ steht auf einem – „Nein danke!“

Mitarbeiterinnen aus 14 der insgesamt 16 schleswig-holsteinischen Frauenhäuser haben Freitag früh vor dem Kieler Landeshaus gegen die Sparpolitik der schwarz-gelben Regierung protestiert. Die will ab 2012 das Frauenhaus in Wedel (Kreis Pinneberg) sowie jenes der Arbeiterwohlfahrt in Lübeck schließen. 48 Plätze fallen dadurch weg, 500.000 Euro jährlich will man einsparen.

Im Gegenzug plant Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos), den verbleibenden Einrichtungen pro Platz rund 300 Euro mehr im Jahr zu zahlen. Die Häuser in Ahrensburg und Schwarzenbek sollen zusammengelegt und um zwei Plätze aufgestockt werden. Auch in Kiel selbst möchte Schmalfuß ein weiteres Bett finanzieren.

Insgesamt gäbe es statt 335 dann noch 287 Unterkünfte im Land, das macht rund einen Frauenhausplatz je 10.000 Einwohner. Die EU gibt einen Schlüssel von eins zu 7.500 vor.

„Von der SPD-geführten Landesregierung, die es bald wieder geben wird“, sagt SPD-Landeschef Ralf Stegner, „wird das korrigiert.“ Anke Kock, seit 30 Jahren am Lübecker Frauenhaus, hätte das gerne schriftlich. Auch Sprecherinnen von Grünen, Linker und SSW kündigen später an, sich für den Erhalt der Häuser einzusetzen.

Als die CDU-Gleichstellungsbeauftragte Katja Rathje-Hoffmann über Kürzungen auch im Sozialen spricht, ist sie kaum zu verstehen: Die Demonstrantinnen buhen sie aus. „Seien sie froh“, ruft eine, „dass Sie noch kein Frauenhaus brauchten!“

Der Justizminister kommt, reicht Kock einen Zettel mit Zahlen. Darauf steht auch, wie viele Frauen aus anderen Bundesländern Schleswig-Holsteins Einrichtungen nutzen.

Eigentlich war ein „Menschenteppich“ angekündigt gewesen – Motto: „Gehen Sie über Leichen?“ Kein harter Satz, findet Kock, sondern „Alltagsrealität“: Jedes Frauenhaus im Land habe bereits Erfahrungen mit einer Frau gemacht, die schwer verletzt worden sei – oder getötet.

KRISTIANA LUDWIG