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Archiv-Artikel

Erst zahlen, dann fahren

Die Einführung einer City-Maut für Autos wird in den norddeutschen Städten nur zögerlich zum Thema. Nach dem Volksentscheid in Stockholm will Hamburgs CDU zumindest darüber nachdenken. Andere Städte und der ADAC wiegeln ab

Von Sven-Michael Veit

Er persönlich halte eine City-Maut in Hamburg „für eine spannende Idee“, sagt Rüdiger Kruse. Der Haushaltsexperte der mit absoluter Mehrheit regierenden CDU will deshalb in seiner Partei dafür werben. Auf der Klausurtagung seiner Fraktion im Oktober wolle er „über das Thema debattieren“, in das nach dem positiven Volksentscheid für eine City-Maut in Stockholm (siehe Kasten) wieder Bewegung gekommen ist.

Der 45-jährige Christdemokrat steht gleich doppelt in der Pflicht. Im Hauptberuf als Hamburger Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald sieht Kruse sich als Naturschützer. Als Finanzpolitiker bat er die Bürger im Mai in einer Internet-Aktion um Vorschläge zum Hamburger Landeshaushalt. 3.000 Anregungen gingen ein – auch der, das Autofahren in der Innenstadt gebührenpflichtig zu machen. Die CDU gelobte damals, alle Ideen „zu würdigen“. Dazu stehe er, versichert Kruse nun, auch in Sachen Maut.

Gegenwind bekommt er vom Verkehrsexperten seiner Fraktion. „Keinen aktuellen Anlass“ sieht Klaus-Peter Hesse, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Er bevorzuge eine „intelligente Verkehrslenkung“ und die Stärkung des Nahverkehrs. Allerdings wolle er sich im September in London über die dortige Praxis informieren, denn „irgendwann“, schwant Hesse, „kann eine Maut auch in Hamburg sinnvoll werden“. Sein Parteifreund und Senator für Verkehr und Umwelt, Michael Freytag, will so weit nicht vorausblicken. „Absolut kein Thema“, lässt er seine Sprecherin Kerstin Feddersen ausrichten, „der Wirtschaftsverkehr muss rollen.“

Zögerlich fallen die Reaktionen aus anderen norddeutschen Städten aus. Bei der Großen Koalition in Bremen ist die City-Maut „kein Thema“, so der Sprecher des Bau- und Umweltsenators. Allerdings hat man bei der Auswertung der Anti-Feinstaubmaßnahmen festgestellt, dass sie nicht sonderlich wirksam waren. Frisch erarbeitet wurde deshalb ein „Luftreinhalteplan“, der auf ein „dynamisches Umleitungskonzept“ für den Lastverkehr setzt.

Im schwarz-grün regierten Kiel soll „dem Durchgangsverkehr durch Straßenbau“ begegnet werden, sagt Arne Gloy, Sprecher von Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz (CDU). „Ein altes grünes Thema“ sei die City-Maut schon, räumt hingegen Michael Schlickwei ein, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Stadtrat. Im Kooperationsvertrag mit der CDU stehe davon aber kein Wort. Erfolg versprechender sei es, den Radverkehr zu stärken und den geplanten Ausbau einer Stadt-Regional-Bahn ins Umland zu realisieren. „Wenn das kommt“, so Schlickwei, „können wir nicht gleichzeitig eine City-Maut durchsetzen.“

Ein ganz heißes Eisen ist das Thema in der einstigen Hansekönigin Lübeck. „Darüber reden wir gar nicht mehr“, sagt SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt, „wir haben genug Probleme mit dem Herrentunnel.“ Diese privat finanzierte und mautpflichtige Unterquerung der Trave hat Pendler und LKW-Fahrer zur Nutzung von Schleichwegen inspiriert, die neue Verkehrsprobleme hervorrufen. „Eine Fehlentscheidung reicht“, seufzt Reinhardt. Zudem wäre eine Autofahrergebühr für die Innenstadt „kontraproduktiv für den Handel“, glaubt Marc Langentepe, Sprecher von SPD-Bürgermeister Bernd Saxe, der mit einer CDU-Mehrheit im Stadtrat zusammenarbeiten muss.

Für einen „Jobkiller“ hält Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) die Autogebühr: „Dadurch verlieren die Städte gegenüber dem Umland weiter an Attraktivität“, die Einkaufszentren auf der grünen Wiese würden davon profitieren. „Eine ökologisch gestaffelte City-Maut schon vorstellen“ kann sich hingegen Michael Dette, grüner Fraktionsvize im Stadtrat von Hannover. Allerdings habe die Idee auch in der eigenen Partei nur wenig Anhänger. Das Beispiel Stockholm zeige aber, findet Dette, „dass die Akzeptanz beim zahlenden Bürger steigt, wenn man verspricht, die Maut-Gelder direkt in Busse, Bahnen und Radwege zu investieren“.

Aber auch die Grünen in Hannover wissen, dass sie damit bei der SPD und dem neuen Oberbürgermeister Stephan Weill auf Granit beißen. Deshalb betreibt Verkehrsexperte Dette nun Realpolitik. In den gerade angelaufenen Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten wollen die Grünen die Feinstaubbelastung in der Stadt durch Verbannung von Brummis erreichen.

Die Umweltschutzverbände im Norden sind hingegen einmütig für eine City-Maut in Großstädten. „Sonst droht der Verkehrsinfarkt“, sagt stellvertretend Manfred Braasch, Geschäftsführer des Hamburger BUND. Genauso eindeutig dagegen sind alle Handelskammern in der Region, weiß Günter Dorigoni, Verkehrsexperte der Hamburger Kammer: „Es wäre aberwitzig, hier staatlich regulierend einzugreifen.“

Der heftigste Widerstand kommt selbstredend von Norddeutschlands Autofahrerlobby ADAC Hansa. „Grundsätzlich und entschieden“ lehnt dieser jeden Versuch ab, „Autofahrer zur Kasse zu bitten“.

Mitarbeit: bes/joh/ksc