Die ergeigte Akademie

Das Institut für Alte Musik, von Musikfest-Intendant Thomas Albert gegründet, feiert heute seinen 20. Geburtstag. Bis heute ist Bremen eine der wenigen Städte, die das Vorklassische pflegen

Von Jan Zier

Die Unwissenheit war groß, die Berührungsängste auch. „Alte Musik“, das klang nach schlichtweg veralteter Musik. Zumindest nicht nach etwas, was das Sozialressort als eigene Akademie fördern müsste. Auch nicht 1986 – im Stadtstaat wurde schon damals an der Kultur gespart.

Also hat Thomas Albert, der Barockgeiger, kurzerhand seine Violine eingepackt. Und in den Amtsstuben, hoch oben im elften Stock des Tivolihochhauses, eine Bach-Solosonate intoniert. „Alle kamen sie aus ihren Büros geströmt“, erzählt er noch immer voller Stolz. Quasi schon mit dem Zuklappen des Geigenkastens bekam Albert eine Handvoll ABM-Stellen bewilligt, dazu eine stillgelegte Schule in der Schleswiger Straße. Drei Klassenräume, ein Büro – das war die neu gegründete „Akademie für Alte Musik Bremen“. Heute feiert sie ihren 20. Geburtstag.

Es ist das erste Institut in der Bundesrepublik, in dem auf Hochschulniveau eine vollständige Ausbildung in „Alter Musik“ angeboten wird. Es geht vor allem um die Musik der Renaissance und des Barock, um die historischen Instrumente, die alten Spielweisen. Die silberne Querflöte von heute etwa, sagt Albert, „die gab es ja bei Bach noch gar nicht“. Aber die Traversflöte. Man kann das noch heute sehen, auf jenem berühmten Gemälde von Adolph von Menzel, das Friedrich II., den Preußenkönig, beim Flötenspiel zeigt.

Mit zehn Studierenden fing in Bremen alles an, 720 Mark Studiengebühren pro Semester waren seinerzeit fällig. Inzwischen wurden 500 Studierende durch die Akademie geschleust – und 95 Prozent von ihnen, sagt Albert, haben auch einen adäquaten Job. Er selbst ist mittlerweile zum Professor und Intendanten des Bremer Musikfestes aufgestiegen. Seine Akademie genießt seit 1994 den Status eines Institutes der Hochschule für Künste, beeinflusste dort große Teile des Lehrplans. Auch das DozentInnen-Ensemble hat in der Szene Rang und Namen.

Zwar haben mittlerweile auch andere Musikhochschulen derlei Institute, doch bei Albert gelten sie nicht viel: Berlin „dümple“ vor sich hin, in Hamburg und Hannover laufewenig, und in Freiburg sehe es auch nicht viel besser aus.

Auch unter den MusikerInnen begegneten in den achtziger Jahren der „Alten Musik“ nicht wenige skeptisch – ob ihrer streng auf die historische Aufführungspraxis ausgerichteten Konzeption. Dementsprechend „revolutionär“ findet Albert seine Akademie. Inspiriert hat ihn der österreichische Dirigent und Cellist Nikolaus Harnoncourt, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Alte Musik neu entdeckte. Und der einst mit Albert musizierte, irgendwo, ganz privat. Ein „Schlüsselerlebnis“ sei das gewesen, „infizierend“. Mittlerweile ist der Bazillus auch im Mainstream angekommen: Albert präsentiert „seine“ Alte Musik mit Erfolg auf „seinem“ Musikfest.

Ab 12 Uhr finden in der Bremer Innenstadt sechs Konzerte statt. Programm: www.musikfest-bremen.de