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Archiv-Artikel

Hoch im Norden

WACHSTUM Das größte transportable Riesenrad der Welt gehört dem Hamburger Familienbetrieb Steiger. Nun gab es bei einem Abbau in Oldenburg einen Unfall

Es ist nicht abzusehen, dass das Wachstum der Riesenräder einmal ein Ende findet

In Oldenburg ist ein Riesenrad umgefallen, allerdings nicht in Gänze und erst beim Abbau. Bis zum 10. Oktober drehte sich das Riesenrad auf dem Oldenburger Kramermarkt, jetzt liegen zwei Stahlträger auf dem Festplatz. Zahlreiche Menschen hatten aus sicherer Entfernung bei den Arbeiten zugeschaut, aber in Gefahr gewesen seien sie zu keiner Zeit, sagt ein Sprecher der Schaustellerfamilie. Nun versucht ein Sachverständiger zu klären, was passiert ist. Seine Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Klar ist allerdings, dass das Riesenrad nicht wie geplant ab Freitag beim Bremer Freimarkt dabei sein wird. Die geschädigte Riesenrad-Firma will für Bremen ein Ersatz-Riesenrad herbeischaffen. Wobei klar ist: Für das kaputte Riesenrad in Oldenburg kann es keinen Ersatz geben. Denn es war laut Guinness-Buch der Rekorde das größte transportable Riesenrad der Welt. Anders als andere weltgrößte Riesenräder hat es keinen speziellen Namen. Es heißt einfach „Riesenrad“.

Das Riesenrad ist 60 Meter hoch, sieben Meter höher als das „Bellevue“ aus Düsseldorf und das „Europa-Rad“ aus Bonn. Das Oktoberfest-Riesenrad aus München bekommt gerade mal 50 Meter zusammen. Das gerade mal 13 Jahre junge Bayerische Riesenrad schafft sogar nur 48 Meter.

Das Riesenrad ist der ganze Stolz der Schaustellerfamilie Steiger, deren Firma in Hamburg sitzt. Gebaut wurde das Riesenrad von der Bremer Stahlbaufirma Kocks und bekannt dürfte es allen Menschen sein, die in den letzten Jahren mal auf einem größeren Volksfest in Norddeutschland unterwegs waren: Das Riesenrad kommt immer wieder zum Hamburger Dom, zum Schützenfest in Hannover und zum Bremer Freimarkt. In den letzten Jahren musste die Firma die jährliche Reiseroute kürzer gestalten, wegen „steigender Kosten bei stagnierenden Einnahmen“.

Das Schützenfest in Hannover ist für das Riesenrad immer wieder ein besonderer Termin, dort nämlich wurde es zum ersten Mal präsentiert, und zwar im Jahr 1980. Tatsächlich ist das Riesenrad bereits 30 Jahre alt, die Stahlkonstruktion zumindest. Alle anderen funktionalen Teile seien neu, sagte ein Firmensprecher nach dem Oldenburger Unfall. Vor dem Betrieb sei das Rad ordnungsgemäß vom TÜV abgenommen worden.

Das Riesenrad ist nun nicht aufgrund seiner Größe kollabiert, aber die Geschichte mit der Größe ist doch wesentlich für seine Geschichte. Die Firmenphilosophie der Schaustellerfamilie Steiger nämlich lautet: „Grösse ist unsere Stärke!“ Bereits in den 1950er Jahren, als die Riesenräder alle 23 Meter hoch waren, baute Steiger ein 24 Meter hohes: „Der kleine Unterschied machte es zum Größten des Genres“ heißt es in der Firmenchronik. Als die Mitbewerber Ende der 1960er Jahre 40-Meter-Riesenräder ankündigten, „jedoch die 30-Meter-Marke nicht überschritten“, kam Steiger als Erster mit einem wirklichen 40-Meter-Rad heraus. Und weil gilt, was in der Firmenchronik steht, nämlich: „immer höher, schneller, weiter heißt die Devise“, starteten 1976 die Planungen. Und 1980 war es fertig. Das Riesenrad.

Es ist nicht abzusehen, dass das Wachstum der Riesenräder einmal ein Ende findet. In Peking zum Beispiel steht eines, das nicht transportabel ist, aber 208 Meter zusammenbringt. Die Firma Steiger sollte ihm eines entgegensetzen. Gerade jetzt. Eines, das 59 Meter hoch ist statt 60. Sein Name: „Feierabend“.

KLAUS IRLER