: Schleier für den Schweinswal
WINDKRAFT II Schweinswale leiden unter dem Baulärm von Offshore-Anlagen. Schonzeiten und Baustopp befürchtet. Wissenschaftler fordern dringend Schutzmaßnahmen für die einzigen heimischen Kleinwale
KLAUS LUCKE, MEERESFORSCHER
Massive Zeitverzögerungen beim Bau von Offshore-Windparks befürchtet der niedersächsische FDP-Abgeordnete Gero Hocker. Im Bundesamt für Naturschutz (BfN) werde erwogen, Baumaßnahmen im Frühjahr und Sommer zu stoppen, um die bedrohten Schweinswale und ihren frisch geborenen Nachwuchs vor Lärm zu schützen. „Das könnte sämtliche Offshore-Pläne zum Kippen bringen und wäre für die erneuerbaren Energien ein herber Rückschlag“, sagt Hocker.
Grund für die Überlegungen ist, dass bei der Errichtung von „Alpha Ventus“ die lärmempfindlichen Nordsee-Schweinswale geschädigt wurden, viele könnten sogar unheilbare Schäden erlitten haben. Dieses Ergebnis einer wissenschaftlichen Begleituntersuchung zu Alpha Ventus war im Juni auf einem Meeresumwelt-Symposium in Hamburg vorgestellt worden.
Bei weiteren Windparks auf hoher See seien dringend Schutzmaßnahmen erforderlich, um die einzigen heimischen Kleinwale mit ihrem sehr empfindlichen Gehör zu schützen, forderte Klaus Lucke vom Büsumer Forschungs- und Technologiezentrum Westküste: „Einige wurden geschädigt und viele gestört. Das ist nicht akzeptabel.“
Die Fundamente der Windmühlen werden in den Meeresboden gerammt. Dabei entstehen etwa 15.000 Impulse mit Druckwellen von mehr als 200 Dezibel – lauter als ein startender Jet. Etwa 20 Kilometer weit reicht dieser für Schweinswale, die sich mit Sonar orientieren, unerträgliche Krach. Untersuchungen der Meeresbiologin Karoline Weber-Streidt zufolge verschwanden die Säuger beim Bau von Alpha Ventus aus dieser Region. Ob die Schweinswale das Gebiet künftig wieder nutzen, sei unklar.
Zurzeit werden deshalb mehrere Schallschutzkonzepte erprobt. Bei der „Vergrämungstaktik“ sollen langsam anschwellende Hammerschläge die Tiere zum Ausweichen animieren. Zudem könnten „Blasenschleier“ – Vorhänge aus Luftblasen, die aus Rohren am Boden aufsteigen – die Ausbreitung der Schallwellen reduzieren. „Es muss alles eingesetzt werden, was möglich ist“, so Lucke, „um schädliche Auswirkungen zu vermeiden“.
Das BfN als oberste Naturschutzbehörde hat bislang lediglich bestätigt, über Schallschutz-Auflagen und Lärmgrenzwerte nachzudenken. Von einem Baustopp hingegen sei konkret nicht die Rede. SVEN-MICHAEL VEIT