: Neues Lager, neue Transparenz
RAUBKUNST Cornelius Gurlitt möchte geraubte Kunstwerke ihren jüdischen Eigentümern zurückgeben
Cornelius Gurlitt will das Gemälde „Sitzende Frau“ von Henri Matisse an die Erben seines letzten Besitzers, des Pariser Kunsthändlers Paul Rosenberg, ohne weitere Bedingungen zurückgeben. Die Herausgabe des Matisse verstehe er als Botschaft, dass ihm die Verbrechen der Nazis nicht gleichgültig seien und das von ihnen begangene Unrecht nicht Unrecht bleiben dürfe, verlautete aus seinem Umkreis.
Die „Sitzende Frau“ war bei einer Beschlagnahmungsaktion 2012 in Gurlitts Münchener Wohnung gefunden worden, die die Staatsanwaltschaft Augsburg wegen angeblicher Steuervergehen des 81-Jährigen angeordnet hatte. Ihre Rechtmäßigkeit steht allerdings stark in Zweifel. Die „gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme seiner gesamten Sammlung“, zitiert die Süddeutsche Zeitung Gurlitts Rechtsanwalt Tido Park, sei für seinen Mandanten von „herausragender Bedeutung“. Gurlitt möchte rehabilitiert werden. Käme es zu einer Aufhebung der Beschlagnahme, wäre es für Gurlitt vorstellbar, bei umstrittenen Kunstwerken von sich aus den Behörden „Mitgewahrsam“ einzuräumen, wie Tido Park sagt, und damit den „fortwährenden Zugriff etwaiger Berechtigter auf diese Bilder“ sicherzustellen.
Dass er sich um Transparenz bemüht, zeigt, dass er jetzt der Süddeutschen Zeitung, dem NDR und dem WDR Zugang zu den Kunstwerken aus seinem Salzburger Haus gab. Letzten Monat wurde es von Sachverständigen, Rechtsanwälten und Entrümplern geräumt. Sie fanden dort zunächst 60 und bei einer späteren Suche noch einmal weitere 178 Kunstwerke. Wie in München handelt es sich auch hier hauptsächlich um Arbeiten auf Papier, zu denen noch 39 Gemälde kommen. Zum Fund zählen große Namen wie Renoir, Monet, Manet, Courbet, Corot, Liebermann. Gurlitt hat nun selbst Provenienzforscher beauftragt, die Herkunft der Arbeiten zu klären. Fünf Bilder präsentierte sein Anwalt Hannes Hartung – dem am Mittwoch freilich von Gurlitts Betreuer Christoph Edel das Mandat entzogen wurde – den Journalisten als Arbeiten, die ziemlich sicher keine Raubkunst seien. Doch das zu sagen, so weit scheinen Gurlitts Provenienzforscherinnen noch gar nicht gekommen zu sein. Denn es bleiben viele Fragen offen.
Gustave Courbets 1850 gemaltes Porträt etwa des Philosophen Jean Journet gehörte der Pariser Sammlerin Madame Albert Esnault-Pelterie. Als sie Ende der 1930er Jahre starb, ging die Sammlung an ihren Sohn, einen bekannten französischen Luftfahrtpionier. Von ihm weiß man, dass er bis zum Einmarsch der Deutschen an einem Atomantrieb für Raketen forschte. Über sein Erbe und dessen Schicksal weiß man leider sehr viel weniger. Ziemlich perplex macht auch die Herkunft eines raren Seestücks von Edouard Manet, das zuletzte einem Baron Mazukato in Tokio gehörte.
BRIGITTE WERNEBURG