: Vormarsch in Somalia
Islamisten erobern drittgrößte Stadt Kismayo im Süden des Landes. Ihr Gegner Äthiopien schickt Truppen
BERLIN taz ■ In Somalia ist der Konflikt zwischen den Islamisten in der Hauptstadt Mogadischu und der international anerkannten Übergangsregierung in der Kleinstadt Baidoa abrupt eskaliert. Islamistische Einheiten übernahmen in der Nacht zu gestern kampflos Somalias drittgrößte Stadt, die Hafenstadt Kismayo im Süden des Landes nahe der Grenze zu Kenia. Äthiopien schickte daraufhin bis zu 500 Soldaten in Militärfahrzeugen über die Grenze nach Baidoa, um die dort residierende Übergangsregierung zu stützen. Kismayo war bisher vom Verteidigungsminister dieser Übergangsregierung kontrolliert worden, Oberst Abdikadir Adan Shire, besser als Barre Hiraale bekannt.
Mit der Einnahme Kismayos kontrolliert die „Union Islamischer Gerichte“ (UIC), die Anfang Juni die Kontrolle über die somalische Hauptstadt Mogadischu übernommen hatte, nun den gesamten Süden Somalias. Hiraale hatte sich am Sonntagabend mit seinen Kämpfern aus Kismayo zurückgezogen, woraufhin die UIC ohne Widerstand einrückte. Berichten zufolge gab es in Hiraales Umfeld Streit darüber, ob man sich den Islamisten militärisch widersetzen oder mit ihnen einen Deal schließen sollte. Dem südsomalischen Rundfunk „Shebelle Radio“ zufolge setzte sich Hiraale in die Stadt Gedo ab, nachdem die UIC ihm dorthin freies Geleit zusicherten. Unklar blieb gestern, ob Hiraales Milizionäre noch den Flughafen von Kismayo kontrollieren.
Mehrere tausend Menschen waren zuvor in Erwartung einer blutigen Schlacht um die Stadt aus Kismayo geflohen. Über 4.200 Menschen sind nach UN-Angaben seit Ende August aus Somalia nach Kenia geflohen, wo bereits rund 200.000 Somalier als Flüchtlinge leben. Derzeit überqueren täglich über 300 Flüchtlinge die Grenze. Gestern wurden zwei Menschen in Kismayo getötet, nachdem mehrere tausend Stadtbewohner gegen die Machtübernahme der Islamisten protestierten und diese das Feuer eröffneten.
Die Übergangsregierung in Baidoa verurteilte die Eroberung Kismayos durch die Islamisten als Verletzung eines am 22. Juni in Sudan geschlossenen Abkommens zwischen den beiden Lagern. Dieses sah eine Waffenruhe und eine gegenseitige politische Anerkennung vor. D. J.