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Archiv-Artikel

Briten sehen Profit-Chance im Klimawandel

Anders als in Deutschland fordert die Industrie auf der Insel höheren Innovationsdruck durch schärfere Umweltgesetze

BERLIN taz ■ In Großbritannien ist Klimaschutz Chefsache. Nicht nur die königliche Hoheit Prinz Charles setzt sich dafür ein, sondern auch die Vorstandsvorsitzenden britischer Top-Firmen. Die Chefs von Vodafone, der Handelskette Tesco und auch der Ölfirmen Shell und BP haben sich – selbstverständlich unter der Schirmherrschaft des Prince of Wales – zur „Corporate Leaders Group on Climate Change“ zusammengeschlossen. Und sie räumen ein: „Was wir bisher getan haben, reicht mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht aus.“

Und das ist mehr als nur heiße Luft. Wie das Beispiel CO2-Emissionsrechte zeigt. Die EU-Kommission erlaubt, bis zu zehn Prozent dieser Luftverschmutzungszertifikate zu verkaufen. Doch während die deutschen Manager und ihre Lobbyisten in Berlin erneut die komplette kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten durchboxten, forderten ihre britschen Kollegen Ende Mai in einem Brief an Premierminister Tony Blair, dass die britische Regierung strenger mit den Zertifikaten umgehen solle. Das schaffe einen Anreiz für die Firmen, in Klima schützende Technologie zu investieren. Gesagt, getan, immerhin sieben Prozent der Emissionsrechte gab Großbritannien nicht kostenlos an die Wirtschaft weiter, sondern versteigerte sie für 270 Millionen Euro.

Der entscheidende Grund für das Engagement der britschen Wirtschaft: Sie sieht den Klimawandel auch als neuen Markt mit entsprechenden Chancen. Es gebe eine Reihe von Technologien, die Großbritannien eine führende Position in diesem Markt geben könnte: CO2-sparende Transportmittel, Wellenkraftwerke, die Wasserstofftechnologie und Finanzinstrumente, die Klimaschutz zum Geldbringer machen können. 16 Billionen US-Dollar müssten weltweit in den kommenden 25 Jahren allein im Energiesektor investiert werden. Dieses Investment biete „enorme kommerzielle Möglichkeiten für das Vereinigte Königreich“, wenn es mit klimaschonender Wirtschaft verknüpft werde.

Nun ist der Vergleich mit der deutschen Wirtschaft zugegebenermaßen etwas unfair. Denn Großbritannien hat sich unter Maggie Thatcher aus der Förderung von Kohle verabschiedet. Hinzu kommt, dass das im Vergleich zu Kohle klimafreundlichere Gas noch einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung des Landes leistet. Die Automobilindustrie, in Deutschland einer der großen Bremser beim Klimaschutz, spielt auf der Insel eine vernachlässigbare Rolle. Das verarbeitende Gewerbe, das besonders viel Treibhausgase in die Luft bläst, ist in den vergangenen Jahren kaum gewachsen. Dienstleistungen und dabei vor allem die emissionsarme Finanzwirtschaft sind nach dem Strukturwandel in den 80er-Jahren der Motor des britischen Wirtschaftswachstums.

So zeichnet dann auch Jan Burck, Klimaexperte bei der Organisation Germanwatch, ein differenziertes Bild. „Man muss unterscheiden zwischen dem Außenauftritt Großbritanniens und den tatsächlichen Maßnahmen zum Klimaschutz“, sagte er der taz. Zwar liegt Großbritannien in dem Klimaschutz-Ranking von Germanwatch hinter Island und Lettland auf Platz drei. Allerdings vor allem wegen der guten Werte in den Sektoren erneuerbare Energie und Industrie. „Großbritannien setzt auf technologische Innovationen“, sagt Burck. Dies sei begrüßenswert. Die Entwicklung der Emissionen beispielsweise im Verkehrsbereich sei hingegen eher schlecht.

Und so musste das britische Umweltministerium im Frühjahr einräumen, dass das Land möglicherweise nicht sein Ziel erreichen wird, bis 2010 den Kohlendioxid-Ausstoß um ein Fünftel zu senken. Der Rückgang werde voraussichtlich lediglich 15 bis 18 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 betragen. Blair reagierte im Sommer mit einem neuen energiepolitischen Konzept und kündigte an, dass zukünftig der Bau von Atomkraftwerken auf der Insel leichter möglich sein soll.

STEPHAN KOSCH