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Archiv-Artikel

Erdrutsch als Alarmsignal

RENATURIERUNG Nachdem die Kippe einer ehemaligen Braunkohlengrube in der Lausitz auf 100 Hektar absackte, fordert die Grüne Liga: Keinen neuen Tagebau

DRESDEN taz | Drei Tage ist es her, dass sich der Boden einer ehemaligen Braunkohlentagebau-Kippe in der Lausitz nördlich von Hoyerswerda plötzlich senkte. Auf einer Fläche von über anderthalb Kilometern Länge und 600 Metern Breite stürzten Erdreich und Geröll in das Restloch des neuen Bergener Sees, der derzeit geflutet werden soll, und lösten eine Flutwelle aus. Was dazu geführt hatte, blieb auch am gestrigen Freitag umstritten. Peter Horler, Sprecher des Sächsischen Oberbergamts, hält eine Zusammenhang mit den starken Niederschlägen der vergangenen Wochen für möglich. Untersucht wird auch, ob Sprengarbeiten am benachbarten Sabrodter See den Rutsch ausgelöst haben könnten.

„Wir sind dabei, das veränderte Gelände aus der Luft auszumessen“, erklärte Volker Krause, Sprecher der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV. Das Ausmaß habe ihn überrascht: Der Bruch erstreckt sich über mehr als 100 Hektar, also über eine Fläche von rund 100 Fußballfelder. Das sei in der Tagebau-Sanierungsgeschichte Ostdeutschlands „in dieser Dimension einmalig“, sagte Krause.

Während des Unglücks waren fünf Lkw-Fahrer in dem Gebiet mit Sanierungsarbeiten beschäftigt. Vier von ihnen konnten geistesgegenwärtig festen Boden erreichen, während ihre Fahrzeuge im Schlamm versanken. Ein fünfter wurde mit dem Hubschrauber vom Dach seines Lkws gerettet. Etwa 50 Schafe ertranken in den Fluten.

Das Sanierungsgelände steht noch unter Bergaufsicht und darf nicht betreten werden. Teile davon sind für ein Naturschutzgebiet vorgesehen. Es handelt sich nicht um gewachsenen Boden, sondern um eine beim Braunkohleabbau lose aufgeschüttete Kippe aus Abraum.

Dieser sandige Kippenboden kann in Verbindung mit Wassereinlagerungen im Zuge der Sanierung, Verdichtung und Flutung in gefährliches und spontanes sogenanntes Setzungsfließen geraten. Bei einem Grundbruch kommt es außerdem zu Scherbewegungen zwischen verschiedenen Bodenschichten. 14 Menschen kamen auf diese Weise in Mitteldeutschland schon ums Leben.

Die Braunkohle war in der DDR der dominierende Energieträger. Der gewaltige Landschaftsfraß durch die Tagebaue ist jedoch nicht nur Geschichte. Vattenfall treibt weitere Aufschlüsse für seine Kohlekraftwerke voran. Die Grüne Liga forderte angesichts des Unglücks, die Planungen neuer Tagebaue zu stoppen. „Die Lausitz hat ein weiteres Warnsignal erhalten“, sagte René Schuster, Vertreter der Naturschutzverbände im Braunkohleausschuss des Landes Brandenburg.

Vergleichbar große deutsche Tagebau-Folgelandschaften gibt es nur noch im rheinischen Revier. Die Rekultivierung ist dort allerdings noch nicht so weit fortgeschritten. MICHAEL BARTSCH