: Kritische Ausfallfonds
VON MAX HÄGLER
Eigentlich sollen in den kommenden Monaten in neun Bundesländern Studiengebühren eingeführt werden, meist sind 500 Euro pro Semester vorgesehen. Doch es kann gut sein, dass Studierende Glück haben und ihre ohnehin klammen Geldbeutel noch ein wenig schonen können. Gestern erreichte die Wissenschaftsministerien und die Hochschulrektorenkonferenz ein hochbrisantes Gutachten, das zwei Bausteine für verfassungswidrig erklärt, die in den meisten Gebührengesetzen zentrale Bestandteile sind. Der Bundesfinanzrichter Ludwig Kronthaler kritisiert in dem Papier, das der taz vorliegt, vor allem die sogenannten Ausfallfonds. Darüber hinaus hält er die einheitliche Erhebung von Studienbeiträgen in einigen Bundesländern für rechtswidrig.
Zwar ist das 32 Seiten starke Papier, das im Auftrag des Stifterverbandes erstellt wurde, rechtlich nicht bindend. Aber es enthält so detaillierte Warnungen, dass zu erwarten ist, dass die Gegner von Studiengebühren mit dem Gutachten als Handreichung vor die Gerichte ziehen werden (siehe Interview). Kronthaler war bis zu seiner Berufung an den Bundesfinanzhof 2005 Kanzler an der TU München und stets ein Befürworter von Studiengebühren, aber die entsprechenden Landesgesetze behagen ihm nicht.
Bislang bieten die meisten Länder ein Darlehen an, mit dem Studierende die Beiträge finanzieren können. Zurückgezahlt werden muss das Darlehen nach Studienende, aber nur, wenn man einen Job gefunden hat. Den zu erwartenden Ausfall an Rückzahlungen müssen derzeit die Studierenden selbst absichern – zwischen zehn und 20 Prozent ihrer Beiträge werden dazu in sogenannte Ausfallfonds gesteckt. Für Kronthaler nicht hinnehmbar: „Diese Form der Sonderabgabe ist verfassungswidrig; ihr Sachzweck muss aus dem Steueraufkommen finanziert und darf nicht der Finanzierung durch die Studierenden überantwortet werden.“
In den meisten Ländern, etwa Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, wurden die Studienbeiträge auch mit dem Argument der Studienqualität eingeführt. Geld für bessere Bedingungen, lautete oft das Lockangebot der Wissenschaftsminister. Wenn das versprochen worden sei, könnten aber nur die Kosten für „konkrete Verbesserungsmaßnahmen“ auf die Studierenden umgelegt werden, so Kronthalers Ergebnis. Ein „undifferenzierter Einheitsbeitrag“ verstoße gegen abgabenrechtliche Grundsätze und könne von einfachen Gerichten verworfen werden. In manchen Ländern, etwa in Niedersachsen oder Baden-Württemberg, fließen die Gebühren dem allgemeinen Hochschulhaushalt zu. Das erscheint Kronthaler zwar rechtlich unproblematischer, aber er weist darauf hin, dass sich ihr Zweck dann in der schnöden Mitfinanzierung verliere.
Mit Nachdruck dringen Kronthaler und der Stifterverband darauf, die Gesetze zu ändern, da sonst „massenhafte gerichtliche Niederlagen der Hochschulen“ zu erwarten seien. Es gelte, schnellstens – unter Beteiligung der Studierenden – Qualitätsmaßstäbe festzulegen und ein Verfahren zur Kostenermittlung zu erarbeiten.
Während sich die Länder mit Bewertungen noch zurückhalten – nur Bayern hat in einem ersten Reflex abwehrend reagiert – stößt Kronthalers Papier bei den Hochschulen selbst auf Zustimmung. „Wir teilen die Auffassung von Herrn Kronthaler in seinen wesentlichen Punkten“, sagte Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, gegenüber der taz. „Die Studienbeiträge müssen zur Verbesserung der Lehre und dürfen nicht für andere Zwecke (z. B. Ausfallfonds) verwendet werden. Sie sollten auch nach Hochschule und Studiengang differenziert gestaltet werden, je nach Aufwand für eine Verbesserung der Lehre.“ Das Gutachten mache aber auch deutlich, wie groß der hierfür erforderliche Verwaltungsaufwand ist.