: Und es sei Licht im Körper
Entdeckung oder Erfindung: Biophotonen sind in den Zellen tätige Lichteinheiten. Mit Schwingungen regulieren sie den Organismus – einer wörtlich einleuchtenden Theorie nach. Praktisch sollen Lichtmessungen zeigen, ob Lebensmittel frisch sind
VON GISELA SONNENBURG
Auch was schwach scheint, kann Bedeutung haben. Der Quantenphysiker Fritz-Albert Popp geht einem solchen Mysterium nach: Der Gründer des Internationalen Instituts für Biophysik in Neuss entwickelte eine markante Theorie. Laut der lagert in allen lebenden Zellen eine kleine Dosis Licht, die für all jene Abläufe und Funktionen sorgt, die einen Organismus erst lebendig machen.
Was nach Religionsersatz klingt, wird wissenschaftlich durchaus ernst genommen. Weltweit arbeiten mehr als 50 Universitäten und Institute mit und an der Theorie der so genannten Biophotonen. Firmen wie der Schweizer Konzern Nestlé erteilten Popp schon Forschungsaufträge. Dabei folgt man seinem Theorem: „Die Biophotonen befinden sich in Form von Quanten in der DNA der Zellkerne“ – lichterne Kleinstteilchen, die in den Atomkernen als „swinging lights“ agil sind.
Wer auf Scheinwerfer-Effekt hofft, wird indes enttäuscht. Denn die Lichteinheiten im organischen Material sind weniger als schwach. Popp: „Das Licht einer Zelle ist mit einer Kerzenflamme zu vergleichen, die man aus 15 Kilometern Entfernung betrachtet.“ Um es überhaupt sichtbar zu machen, baute Popp eine Apparatur, die den blassen Schimmer um den Faktor 1 Million verstärken soll. Damit, so Popp, klappe der Nachweis – und bringe praktischen Nutzen. So etwa bei Nahrungsmittelüberprüfungen.
Denn frische tierische und pflanzliche Produkte haben laut Popp intakte innere Leuchtquellen, während überaltertes Gammelfleisch oder zellgeschädigtes Gemüse desolat erstrahlen. Eier von Freilandhühnern leuchten demnach anders als die aus der Legebatterie, und auch bakteriell verseuchtes Wassers soll eindeutig glimmen. Sogar Personen unterzieht Popp der Lichtquantendiagnostik: „Man kann damit feststellen, ob ein Mensch gesund ist.“
Unblutige Hilfe könnte das Quantenlicht in der Krebsdiagnostik bieten: Tumorzellen haben nach Popp typischerweise ein „sehr chaotisches Licht“. Wobei wenig Licht nicht immer wenig Leben bedeute: „In toten Zellen nimmt das Licht sogar zunächst noch zu, es verpufft, wie in einem Crash nach dem anderen.“ Die aufwändig zerfallende Vitalität zeige: „Es fehlt die Vorgangsregulierung.“ Normales Licht aus gesunden Organismen sei denn auch „geordnet, ruhig, wenig aufgeregt“ – was ans Chi, die fließende Lebenskraft in der traditionellen chinesischen Medizin, erinnert.
So soll das Körperlicht Hormonproduktionen und Nervenreize, Wachstum und zelluläre Kommunikationen auslösen und koordinieren. Mit bereits existierenden Versuchen, Biophotonen für diverse Therapien zu nutzen, hat Popp jedoch nichts am Hut. Er ist Physiker, nicht Mediziner, darauf legt er Wert.
Aber wie kam er zu seinem Lebenswerk? Vor rund 30 Jahren – heute ist Popp 68 – beschäftigte er sich mit krebserregenden Substanzen. Und stellte fest: Das karzinogene Benzoapyren und das ungefährliche Benzoepyren unterscheiden sich lediglich in der räumlichen Anordnung eines von fünf Benzolringen. Bei Experimenten mit Licht von 380 Nanometer Wellenlänge, also im blauvioletten Bereich, fiel Popp die unterschiedliche Optik der Moleküle auf: „Das gefährliche Molekül absorbiert das Licht und verfälscht es, gibt es mit einer anderen Frequenz zurück. Das harmlose Molekül lässt die Lichtstrahlung durch, es verhält sich transparent.“ Seine Schlussfolgerung: Benzoapyren sei deshalb karzinogen, weil es das Licht in den Zellen verändere – was voraussetzt, dass es Licht in den Zellen überhaupt gibt.
Und zwar muss es Licht mit 380 Nanometern sein, das auch Teil des Sonnenlichts ist. Dieses „Blaulicht“ bewirkt die allgemein bekannte Photoreparatur: durch Röntgen- oder UV-Strahlung geschädigte Zellen heilen damit wie von selbst.
Dennoch wurde Popp zunächst oft als Spinner abgetan, zumal als Dozent für Radiologie. Er machte aber weiter, baute die Messapparatur, die im dunklen Raum die Lichtverhältnisse im Körperinnern anzeigen soll. Popp: „Man kann so zuverlässig feststellen, wie viele Biophotonen da sind und wie intensiv ihre Lichtaktivität ist.“
Lichterne Energie als Antriebskraft im allerkleinsten Bereich – das ist, auch Kritiker mögen es gestehen, eine wörtlich einleuchtende Imagination, die sogar dem jüdisch-christlichen Weltbild mit seiner Symbolik – „Es werde Licht“, beschwor Gott angeblich die Schöpfung – schmeichelt. Zumal die konservative Wissenschaft rätselt, was Zellen aktiviert; Neurowissenschaftler tippen auf Elektromagnetismus. Popp dazu: „Das eine schließt das andere nicht aus.“ Als Mittler fungieren die Schwingungen: So sollen Biophotonen eine Frequenz von bis zu 10[15]Hertz haben – die Zahl meint eine 1 mit 15 Nullen. Ein Hertz entspricht einer Schwingung pro Sekunde: Das Zell-Licht hat demnach eine relativ hohe Frequenz. Zum Vergleich: Radiowellen haben nur 10.000 Schwingungen pro Sekunde, Wechselstrom – der aus der Steckdose – hat nur 50.
Nun kann eine Energieform in eine andere übergehen. Aus elektrischer Energie wird Lichtenergie. Letztere hält sich laut Popp wochenlang im Atomkern – weshalb der Popp’sche Lichtdetektor Nahrungsmittel auf ihren „Vitalitätsgehalt“ überprüft.
Dabei sind die Ergebnisse nicht immer beruhigend. Denn wie Popp es sagt: „Die meisten Lebensmittel sind nicht im Handel, weil sie so gut sind, sondern weil keiner weiß, wie schlecht sie sind.“