: Geld selbst gemacht
In Deutschland gibt es 17 regionale Währungen, Tendenz steigend. Kongress am Wochenende
BERLIN taz ■ Blüten, Blüten: all überall. Von Kiel nach Ainring an der österreichischen Grenze, von Aachen nach Hoyerswerda ist die Republik mittlerweile überzogen mit alternativem Geld. 17 Initiativen gibt es in Deutschland, die eigenes Geld herausgeben, 30 weitere sind in Planung. 2.000 bis 3.000 Unternehmen seien deutschlandweit beteiligt, und „es werden immer mehr“, freut sich Frank Jansky, Vorstand des Regionetzwerks. Bei ihm selbst floriert die Blüte „Urstromtaler“.
Nach Goethes Faust II zitiert: „Es fehlt an Geld, nun gut, so schafft es.“ Unter diesem Motto beginnt heute in Weimar der vierte deutsche Regiogeldkongress. Bis zum Sonntag gibt es neben zahlreichen Workshops auch erstmals ein politisches Programm. Zudem ist dem Kongress zum ersten Mal eine „internationale Tagung monetäre Regionalisierung“ vorgeschaltet.
Für den wirklichen Durchblick kann man sehr tief in die Zinstheorie einsteigen. Man kann sich aber auch mit dem kleinen Einmaleins begnügen: 98 Prozent des global vorhandenen Geldes werden nicht im Handel von Gütern und Dienstleistungen verwendet, sondern für spekulative, zinswirtschaftliche Zwecke eingesetzt. Das erklärte der belgische Finanzexperte Bernhard Lietaer bereits im Jahr 2001. Dieses Geld verlässt sehr oft Europa. Bereits 2003 waren 70 Prozent des Euros aus der Eurozone abgeflossen.
Dagegen steht engagieren sich die Regionalgeldinitiativen. Denn Regiogeld wird ausschließlich in den Regionen als Währung akzeptiert, in denen es ausgegeben wird. Auch wenn alle 17 deutschen Initiativen anders konzipiert sind, die Idee ist gleich: Geld bewusst im regionalen Kreislauf zu halten, um die regionale Wirtschaft zu stärken.
Die Regionalwährung Chiemgauer wird während eines Jahres etwa zwanzigmal umgesetzt, der Euro hingegen nur zehnmal. Dabei attestiert der österreichische Wirtschaftsexperte Hans Ebert dem Chiemgauer eine „stümperhaftes“ Marketing. 95 Prozent der Bevölkerung im Chiemgau, schätzt Ebert, kennen die Währung gar nicht.
Ebert ist sicher: Die Regionen werden als Wirtschaftsmotor immer wichtiger werden. Die Globalisierung sei nur „eine Übergangserscheinung“. Wenn auch eine mit katastrophalen Folgen für viele europäische Regionen. Deshalb sieht Ebert dringend Handlungsbedarf, beispielsweise im Osten Deutschlands, wo es nur verhältnismäßig wenig Regiogeldinitiativen gibt.
Eine der meistgenannten Gründe für dieses Phänomen ist, dass es in vielen östlichen Regionen schon gar keine regionale Wirtschaft mehr gibt. „Regionalgelder sind eine gute Sache, aber in den Himmel wachsen die Bäume nicht“, resümiert Sven Giegold von Attac. Der Erfolg sei begrenzt, das läge einfach daran, das Regiogelder weniger Verwendungsmöglichkeiten und weniger Sparpotenzial bieten. Dennoch wollen sich die Globalisierungsgegner im Herbst auf einem Kongress mit dem Thema befassen.
Gernot Schmidt will nicht länger zusehen, wie „der falsch verstandene Liberalismus die Gesellschaft kaputt macht und den Regionen schadet“. Schmidt ist weder linker Fantast noch globalisierungskritischer Aktivist. Er ist Diplomkaufmann in der Stadtsparkasse Leipzig. Er sagt: „Globalisierung und Regionalisierung darf man nicht digital sehen: 0 oder 1.“ Das schließe sich nicht aus, aber sie sollten in einem „vernünftigen Verhältnis“ stehen. Die wirtschaftlichen Entscheidungsprozesse müssten in die Regionen zurück. Im Herbst wird in Leipzig eine neue Regionalwährung an den Start gehen. Der Name wird nicht verraten. Konzeptionell habe man sich an dem Schweizer „WIR“ orientiert. Hohe Ziele, denn der Wirtschaftsring (WIR) ist ein 1934 gegründetes „sektorales Geld“ – und seit 2004 sogar als internationale Währung anerkannt.
SUSANNE SCHWARZ