Antifa darf kein Hakenkreuz verwenden

Landgericht Stuttgart: Wer Hakenkreuze öffentlich zeigt, macht sich strafbar – auch wenn er sie durchstreicht

STUTTGART taz ■ Der Geschäftsführer des Punk-Versandhandels „Nix Gut“, Jürgen Kamm, muss 3.600 Euro Geldstrafe bezahlen. Die 18. Strafkammer des Landsgerichts Stuttgart verurteilte ihn gestern wegen gewerbsmäßiger Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen.

Der Vorsitzende des Strafschutzsenats, Wolfgang Küllmer, stellte in seiner Urteilsbegründung fest, das Verfahren sei „eine notwendige Etappe der von allen Seiten angestrebten höchstrichterlichen Klärung“, inwieweit Hakenkreuze öffentlich gezeigt werden dürfen. Kamm sei zwar ein „ausgewiesener Antifaschist“, aber dennoch habe er sich strafbar gemacht.

Der kommerzielle Vertrieb des Symbols sei durch die Ausnahmen, die Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs für Aufklärung, Forschung, Lehre, Kunst und Meinungsfreiheit vorsehe, nicht gedeckt. Und ein Hakenkreuz bleibe auch dann ein solches, wenn es gegen den Rechtsextremismus verwendet werde. Das gelte auch für durch Halteverbotszeichen durchgestrichene oder sonstwie „verformte oder zerteilte“ Symbole. Der Gesetzgeber wolle, so die Überzeugung der Kammer, „die grundsätzliche Tabuisierung“ des Hakenkreuzes und andere Zeichen Rechtsextremer im öffentlichen Raum. Sonst könne durch „massives und ständiges Verwenden“ ein Gewöhnungseffekt entstehen, den sich auch die Neonazis wieder zunutze machen könnten. Mit dem Urteil schloss sich das Gericht der Anklage von Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler an, der die generelle Tabuisierung in seinem Pladoyer gefordert hatte. Er zeigte sich mit dem Urteil „zufrieden“. Unter dem Hakenkreuz sei zu „Schreckliches geschehen“, als dass es als „modisches Accessoire“ verwendet werden dürfe. Rechtsanwalt Thomas Fischer sagte für seinen Mandanten, er halte das Urteil für falsch. „Wir gehen in die Revision“, sagte Fischer.

Das Gericht ordnete außerdem an, dass die insgesamt 16.582 beim „Nix Gut“-Versand beschlagnahmten Gegenstände eingezogen werden. Darunter fallen tausende Buttons, Aufkleber und Aufnäher mit durch Fäuste, Füße, den Schwanz der Comictiers Marsupilami zerstörten und in der Mülltonne entsorgten Hakenkreuzen. Einzig für den Slogan „Fick Heil“ ließ das Gericht eine Ausnahme gelten, da es ihm „am einschlägigen Kennzeichencharakter“ fehle. Jürgen Kamm kündigte an: „Wir machen weiter!“ Er sei froh, dass jetzt der Bundesgerichtshof entscheiden müsse. HEIDE PLATEN