Kurzkritik: „Das Telefonbuch …“, Schauspielhaus : Telefongesänge
Wo man sich aufhält? Vielleicht in den Tiefen der Kanalisation, vielleicht im Bunker mit den letzten Überlebenden der Zivilisation. Fakt ist jedenfalls, dass eine Art Stimme Gottes vom Schauspielhaus-Himmel gewaltige Latinismen herabdröhnt. „Alles in einem“ lautet das Credo der Telekom wie auch von Philip Tiedemanns Stück „Das Telefonbuch von Hamburg“, das am Freitag uraufgeführt wurde.
Mal ehrlich: Wie oft hat man Worte wie „Telefonseelsorge“ und „Giftnotruf“ schon auf Latein gehört? Eben. Eine unterhaltsame Verfremdung, die sich in die Länge zieht, dann aber doch den Blick auf sechs Befrackte freigibt, die Buchstabenreihen und Namen rezitieren. Mit Vehemenz verteidigt einer die Deutsche Rheuma-Liga gegen den Deutschen Diabetikerbund. An Kurt Schwitters’ Ursonate erinnern die absurden Lautkolonnen. Lustig ist es auch: Wenn etwa der Conférencier – mal wie die Muppet-Opas aus einem Fenster lehnend, mal elegant vor den Musikern einherschreitend – „jetzt bitte ruhig“ sagen möchte, es aber nicht schafft, weil die Befrackten zu jeder Vokabel sofort fünf Namen schreien.
Bemerkenswert auch die „Li“-Rezitationen, musikalisch changierend zwischen Swing und Klassik und stetig auf das Prinzip Serie verweisend. So lange, bis man müde wird. Bis man nur noch ermattet lächelt, anstatt zu lachen. Zwei Viertelstunden Telefonbuch hätten genügt. Es waren fünf. PETRA SCHELLEN
nächste Vorstellung: 5. 10., 20 Uhr, Schauspielhaus