piwik no script img

Archiv-Artikel

Gegen die Wand

HITLER Der Filmkritiker Olaf Möller und der Künstler Norbert Pfaffenbichler unterhielten sich über Hitlerbilder in deutschsprachigen Filmen. Ihr Fazit: Außer Trash einerseits und Pietät andererseits geht nicht viel

Hitler als Staatsmann, Hitler in der Tagespolitik: Das kommt nicht vor

VON LUKAS FOERSTER

Den Hitler zu geben ist gar nicht so schwer. Man braucht nur den charakteristischen, fast quadratischen Schnurrbart unter der Nase und den Seitenscheitel. Das genügt zur Identifikation, weitere physiognomische Ähnlichkeit ist nicht notwendig. „Hitler“ ist universell kodier- und dekodierbar.

Was bedeutet eine solche visuelle Anordnung, die eine historische Figur auf ein bloßes Muster aus Gesichts- und Kopfbehaarung reduziert? Das war eine der Fragen, die im Verlauf eines Gesprächs auftauchten, das der Filmkritiker Olaf Möller und der Künstler Norbert Pfaffenbichler am Dienstag im Zeughauskino führten. Begleitend zur viel diskutierten Ausstellung „Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen“ im Deutschen Historischen Museum zeigt das Kino ein Programm mit deutschen Hitlerfilmen ganz unterschiedlicher Couleur.

Nach dem Krieg kam das Bilderverbot

Oliver Hirschbiegels staatstragender Blockbuster „Der Untergang“ oder die auf noch ganz andere Art staatstragenden Riefenstahl-Filme stehen neben selbstbewussten Trashattacken von Jörg Buttgereit („Captain Berlin versus Hitler“), Christoph Schlingensief („100 Tage Adolf Hitler“) oder Romuald Karmakar („Eine Freundschaft in Deutschland“). Möller und Pfaffenbichler skizzierten entlang dieser Filmauswahl das schwierige Verhältnis des deutschen Kinos zu einem Sujet, das nur zwei Haltungen zuzulassen scheint: Entweder die fast ehrfürchtige, pietätvolle Annäherung in einer vermeintlich authentischen Darstellungen oder den oft etwas hysterisch anmutenden Frontalangriff, der sich weniger gegen die historische Figur als gegen ihre tradierte Darstellung richtet.

Heute ist Hitler überall. Auf Zeitschriftencovern, im Fernsehen, im Kino. Auch im Wachsfigurenmuseum Unter den Linden sitzt er wieder, inzwischen durch eine Glasscheibe vor weiteren Enthauptungsversuchen geschützt. Das war nicht immer so. Nachdem die Propagandabilder des Dritten Reichs getilgt worden waren, wurde in der Frühphase der Bundesrepublik die Gestalt Hitlers faktisch mit einem Bilderverbot belegt. Das westdeutsche Kino, das sich an die jüngere Vergangenheit ohnehin nur sehr selektiv erinnern wollte, war zunächst besonders vorsichtig. Die beiden 1955 durch einen sonderbaren Zufall fast gleichzeitig entstandenen Filme über das Stauffenberg-Attentat („Der letzte Akt“ von Georg Wilhelm Pabst und „Der 20. Juli“ von Falk Harnack) blieben lange Zeit singuläre Anstrengungen. Erst in den Siebzigern begann der deutsche Film damit, Hitler als Figur zu entdecken. Das Kino vollzieht damit eine Bewegung nach, die in ähnlicher Weise in anderen Medien zu beobachten ist. Auf dem Titelblatt des Spiegel zum Beispiel tauchte Hitler zum ersten Mal 1964 auf. Inzwischen ist er dort Stammgast, eine vielseitig einsetzbare Chiffre eines abstrakten Bösen, das sich vom historischen Kontext gelöst hat.

Denn auch wenn Hitler als Ikone heute kaum weniger geläufig ist, als er es in den dreißiger Jahren gewesen sein dürfte, bleiben Leerstellen im filmischen Gedächtnis. Die Bedingungen und Folgen dieser Leerstellen waren ein zentrales Thema des Gesprächs im Zeughauskino. Eine historische Leerstelle betrifft die Jahre von 1933 bis 1945: Deutsche Hitlerfilme zeigen gerne den jungen Hitler, vor der nationalsozialistischen Machtergreifung – und dann wieder den Hitler, der bereits alles verloren hat und im Führerbunker auf sein Ende wartet. Hitler als Staatsmann, Hitler in der Tagespolitik: Das kommt nicht vor. Was natürlich auch heißt: Holocaust und Zweiter Weltkrieg werden nur indirekt verhandelt, bleiben ein dunkles Raunen unter den Hitlerbildern. Vieles wollen die Filme dann doch nicht so genau wissen.

Eine andere Leerstelle ist symbolischer Natur: In den deutschen „Bunkerfilmen“, die sich mit dem Selbstmord Hitlers beschäftigen, bleibt eben dieser offscreen. Anders als in britischen und amerikanischen Filmen über dasselbe Thema blickt die Kamera beschämt zur Seite oder gegen eine Wand, wenn der Reichskanzler sich die Kugel durch den Kopf jagt. Selbst der Authentizitätsfetisch von „Der Untergang“ stößt vor diesem Hintergrund an seine Grenzen. Menschlich soll Hitler werden, aber sterben darf er deswegen noch lange nicht.

■ Die Filmreihe „Hitler und das deutsche Kino“ läuft noch bis Ende Oktober im Zeughaus-Kino. Das genaue Programm findet sich unter www.dhm.de