: Ein Späßchen zum Kaffee
Nach dem 1:0-Sieg gegen den vormaligen Tabellenführer FC Bayern gibt der vormalige Tabellenletzte VfL Wolfsburg die Krisendiskussion an den Gegner weiter. Der will statt mit zehn nur noch mit einem Punkt Vorsprung Meister werden
AUS WOLFSBURG PETER UNFRIED
Wenn ein Fußballtrainer mal ein Spiel gewonnen hat, dann kommen von überall plötzlich wieder Hände und hauen ihm gehörig auf die Schulter. So war das auch bei Klaus Augenthaler nach dem 1:0 des vormaligen Tabellenletzten VfL Wolfsburg gegen den vormaligen Tabellenführer FC Bayern München. Er wurde geklopft wie ein Teppich. Mehr noch: Ob man verloren oder gewonnen habe, erkenne man daran, ob man einen Kaffee hingestellt bekomme oder nicht, brummte Augenthaler – und trank erst mal einen Schluck. Da wirkte der grundsätzlich heitere VfL- Pressechef Kurt Rippholz neben ihm plötzlich ganz geknickt. Weil: Selbstverständlich stellt er dem Trainer immer einen hin. War dann ja auch nur ein klassischer Augenthaler-Witz, also ein ziemlich trockener Spaß, der seltsamerweise die meisten Zuhörer nicht erreichte.
Jedenfalls: Augenthaler macht nach seinem vierten Sieg im 23. Bundesligaspiel als VfL-Trainer wieder Witze, nachdem er zuletzt erst sarkastisch geworden war und dann sogar ernst. „Man wird ja von allen Seiten angegriffen, wenn die Ergebnisse nicht stimmen“, sagte Augenthaler. Er dagegen sehe „das Ganze“, nämlich ein Missverhältnis von Leistung (okay) und Ergebnis (nicht okay). Aber erst jetzt habe eine „intakte Mannschaft“ das verinnerlicht, was der Trainer gepredigt hat.
Man habe „kompakt den Kampf angenommen“ oder wie Torhüter Simon Jentzsch sagte, „uns geschickt hinten reingestellt“. Entscheidend war das Doppeln, wodurch die Wolfsburger Hälfte ziemlich dicht war. „Bis auf zwei, drei Standards hat sich Bayern keine Chancen erspielt“, analysierte Augenthaler. Und die entschärfte Jentzsch binnen einer Minute (30.), als er dreimal rettete, gegen Pizzarro, Lucio und Schweinsteiger.
Sein Reflex nach Pizzarros Kopfball war außergewöhnlich, oder? Na ja, sagte Jentzsch, „im einen Spiel wird man angeschossen, im nächsten patzt man“. Stimmt auch wieder. Wenn man nach einem schlechten Jahr und einem Fast-Abstieg als oberstes Ziel die Stabilisierung der Defensive hat, kann Augenthaler in dieser Beziehung Ergebnisse vorweisen: Die Achse mit Jentzsch, der Innenverteidigung Hofland, Madlung und davor van der Leegte funktioniert solide; fünf Gegentore in sechs Spielen sind aller Ehren wert. Und die zuvor nicht existierende Offensive? Sagen wir so: Sie war extrem effizient. 29 Prozent Ballbesitz, drei Ecken. Ein einziger Schuss traf im ganzen Spiel Oliver Kahns Tor, er kam von Mike Hanke und war drin (36.). Woraus folgt: „Ich habe 100 Prozent meiner Chancen genutzt“, sagte der Nationalmannschaftskader-Stürmer. Es war nicht nur seine einzige, es war auch seine „letzte Chance“, wie Augenthaler mitteilte, nachdem Hanke zuletzt 14 Bundesligaspiele ohne Tor geblieben war.
Auffälligster Spieler des Tages war aber Hankes neuer Sturmkollege Cedrick Makiadi, der Hankes Treffer vorbereitete und weit und breit die singuläre Alternative zum Diktat des Flugballes war. Makiadi (22) ist im Kongo geboren, in Deutschland aufgewachsen, hat weder hier noch dort in einer Nationalmannschaft gespielt und hält sich nach wie vor beide Optionen offen („Das muss man abwarten“). Gegen Bayern war er ballsicher und dribbelstark und forderte den gewiss nicht schwachen Lucio ein ums andere Mal heraus. „Mir war nicht bang“, sagte Makiadi. Für Augenthaler war er nicht nur „der beste Mann“, sondern: „Er wird seinen Platz da vorn sicher haben.“ Da können der derzeit verletzte Klimowicz und Hanke drüber nachdenken.
Was den FC Bayern München betrifft, so hat er bereits zum zweiten Mal in dieser jungen Saison verloren (zuvor in Bielefeld). Ob es die nicht ungewöhnliche Niederlage nach einem Champions-League-Mittwoch war oder Indiz für Grundlegenderes ist, wird sich später erweisen. Bayern-Trainer Felix Magath sagt, es habe nicht am Spiel bei Inter gelegen, auch habe man sich nicht am 2:0 berauscht. Es gebe schlicht „Punkte für Tore und nicht für Spielanteile“. Die Bayern hatten zwar stets den Ball, waren aber abgesehen von der 30. Minute weder mit Ottl und van Bommel als Doppel-Sechs noch in der zweiten Hälfte in einer offensiveren Variante mit den eingewechselten Karimi und Santa Cruz zwingend. Van Bommel ist nach Magaths Einschätzung grundsätzlich ein „großartiger Spieler“, in Wolfsburg war er’s sicher nicht.
Man habe „vom Kopf her nicht alles herausgeholt“, fand Kapitän Oliver Kahn, weshalb die Woche trotz des „absoluten Weltklassespiels“ bei Inter am Ende als „Scheiß-Woche“ in seine Annalen eingehe. Kahn zeterte zwar etwas überraschend am Ball herum („ein Plastikball“), wirkte aber dennoch wie übrigens auch Magath relativ entspannt. „Wenn du so Spiele vergeigst wie hier und in Bielefeld“, sagte er, „dann wirst du halt nicht mit zehn Punkten Vorsprung Meister, sondern nur mit einem.“ Ist das übliches Bayern-Selbstbewusstsein oder schon Hybris? Bleiben Sie dran.
VfL Wolfsburg: Jentzsch - Möhrle, Madlung, Hofland, Stegmayer (84. Hoogendorp) - Sarpei, Santana, van der Leegte, Krzynowek (60. Karhan) - Makiadi - Hanke (69. Lamprecht) Bayern München: Kahn - Sagnol, Lucio, van Buyten, Lahm - Ottl (46. Karimi) - Salihamidzic (46. Santa Cruz), van Bommel, Schweinsteiger - Makaay (76. Podolski), Pizarro ZS: 30.000; Tor: 1:0 Hanke (36.)