RUDOLF BALMER ZUM NEUEN PREMIERMINISTER IN FRANKREICH
: Keine andere Wahl?

Hollande kann nur hoffen, dass etwas von der Popularität seines neuen Premiers auf ihn abfällt

Was soll ein Präsident tun, wenn ihm die Nation die Liebe und die Gefolgschaft entzieht? Das Volk auflösen und ein anderes wählen, wie das einst Bertolt Brecht ironisch vorgeschlagen hatte? Natürlich könnte François Hollande zurücktreten und, in seinem Stolz verletzt, Charles de Gaulle imitieren. Das hatte noch Klasse, wie der alte General 1969 schmollend ins Exil ging, weil eine seiner Reformen via Volksabstimmung durchgefallen war.

Hollande indes hat moralisch nicht das Recht, zu kapitulieren. Er ist der Kapitän und muss bei Sturm an Bord bleiben, auch wenn alle den Schiffbruch voraussagen. Ganz so dramatisch ist die Lage vielleicht auch nicht, jedenfalls ist Hollande noch immer überzeugt, dass sein Kurs der richtige ist. Er hat Manuel Valls aber nicht zum Regierungschef ernannt, weil dieser sein Wunschkandidat gewesen wäre. Hollande hatte ganz einfach keine andere Wahl. Das zumindest bestätigen auch seine Berater.

Valls hat es als bisheriger Innenminister zweifellos verstanden, sich unersetzlich zu machen. Er verkörpert die Rechtswende, die Hollande in der Finanz- und Wirtschaftspolitik verordnet hat. Diese Richtung hat er ebenso nicht aus freien Stücken eingeschlagen, sondern unter dem Druck der Finanzmärkte und der EU-Kommission, die Paris wegen seiner Defizite mit Sanktionen droht.

Jetzt kann Hollande nur hoffen, dass etwas von der Popularität seines neuen Premiers, der nicht nur bei den Bürgern, sondern auch den Medien gut ankommt, auf ihn abfällt. Das Problem ist, dass er die Linkswähler, die ihn wegen der Rechtswende bei den Kommunalwahlen enttäuscht fallen gelassen haben, hiermit ein weiteres Mal verrät. Die Hoffnung, dass ihr Präsident nach dem Denkzettel zum „sozialistischen“ Programm zurückkehren würde, ist jedenfalls hiermit endgültig zerschlagen. Genährt hat Hollande diese Hoffnung ohnehin nicht.

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