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: Mit Blut geschrieben

Antoine Fuqua: „Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest“ (USA 2009), für ca. 15 Euro im Handel

In der Auftaktszene von „Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest“ nähert sich die Kamera schleichend von hinten einem Auto. Man hört Stimmen, einen Dialog, bevor man die Männer, die hier sprechen, dann sieht. Leichte Verschiebungen dieser Art, bewusst gesetzte Risse im Übereinklang von Ton und Bild, kehren wieder in einem Film, der von einer Welt erzählt, in der das Gute oft nur mit den Mitteln des Bösen erreichbar scheint. „Richtig“ und „falsch“, darum dreht sich dieser brutal abbrechende erste Dialog denn auch, gibt es nicht. Nur „richtiger“ gibt es und „falscher“, keine klaren Grenzen, keine Eindeutigkeit. Früh im Film findet eine der Figuren auch im Beichtstuhl keine Erlösung.

Je länger er dauert, desto eher sogar in Zwangslagen zwischen falsch und falscher freilich versetzt das Drehbuch seine drei Protagonisten: Cops im 65. Polizeibezirk New Yorks, im östlichen Brooklyn, eine Sozialbaugegend mit schwindelerregenden Verbrechensraten. Keine dieser Figuren, keine ihrer Situationen kann und will das Drehbuch dabei neu erfinden. Eddie (Richard Gere) als Polizist kurz vor dem Ruhestand, der eine törichte Aktion seiner Vorgesetzten mitmachen muss; Tango (Don Cheadle) als Undercover-Mann, der einen Verbrecher, der doch auch ein Freund ist (gespielt von Wesley Snipes), verraten soll; Sal (Ethan Hawke), der verzweifelt und jenseits von Recht und Gesetz auf der Suche nach Geld ist, um seiner vielköpfigen Familie ein neues Dach über dem Kopf zu verschaffen: Alle stehen sie mit einem Bein im Klischee. Es ist nicht einmal so, dass Regisseur Antoine Fuqua sie da durch irgendwelche Subtilitäten herauszuziehen versucht. Eher vertraut er darauf, dass Darsteller der hier zum Ensemblestück versammelten Klasse (in furiosen Kurzauftritten kommen noch Ellen Barkin und Lily Taylor dazu) ihre Figuren sowieso mit der nötigen Portion Eigensinn, Gravitas und Leben auszustatten verstehen; und er vertraut darauf ganz zu Recht, selbst der sonst zum Overacting neigende Ethan Hawke überzeugt als ausgemergelter, tattooübersäter White-Trash-Polizist unter Druck.

Die Abweichung vom gewöhnlichen Cop-Film gelingt Fuqua, einem der wenigen in Hollywood erfolgreichen afroamerikanischen Regisseure, vor allem auf einer anderen Ebene. Mit Hilfe der eindrucksvoll bedrohliche Räume eröffnenden und die gewöhnlichen Räume ins Bedrohliche treibenden Musik von Marcelo Zavros setzt er sehr viel stärker auf Atmosphäre als auf plotgetriebenen Thrill. Lang ausgespielt werden einzelne Szenen, Regungen in Gesichtern zählen mehr als Actionmomente. Jeder Schuss, der hier fällt, ist eine Spannungsentladung, die umso heftiger trifft, weil einen der Film mit großer Aufmerksamkeit fürs Formen-, Sprachen-, Farben- und Sounddetail an den Brennpunkt Brooklyn versetzt.

Die drei im Film anerzählten Geschichten werden am Ende an einem Ort zusammengeführt. Nicht zum Dialog, nicht zur Auflösung geschürzter Handlungsknoten. Fuqua zieht einen Strich, und was darunter steht, ist mit Blut geschrieben.

Auf dieses böse Ende steuert alles von Anfang an zu; als Könner erweist sich Antoine Fuqua in seinem bislang besten Film vor allem darin, dass man dem Geschehen trotz der Klischees und trotz der Vorhersehbarkeit eigentlich in jeder Wendung mit angehaltenem Atem folgt.

EKKEHARD KNÖRER