CHRISTIAN RATH ÜBER DAS EUROPÄISCHE URTEIL ZUR SICHERUNGSVERWAHRUNG : Zwischendurch beliebt machen
Mit diesem Urteil wollte sich der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte zwischendurch bei der deutschen Politik beliebt machen. Die Sicherungsverwahrung – also die präventive Haft nach Verbüßung der Strafe – verstoße nicht generell gegen europäische Menschenrechte, hat er jetzt verkündet: Obwohl selbst ein Einbrecher vorsorglich im Gefängnis behalten werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass er nach der Entlassung neue Einbrüche begeht.
Zuletzt hat Straßburg bei deutschen Law-and-Order-Politikern für Verdruss gesorgt. Denn der Gerichtshof beanstandete die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung aus dem Jahr 1998. Bis dahin galt eine Frist von zehn Jahren, seither kann die Verwahrung unbefristet lange dauern. Insgesamt rund dreihundert Straftäter müssen deshalb vorzeitig aus der Verwahrung entlassen werden. Deutsche Boulevardmedien sprachen von „irrer Justiz“.
Und das nächste Urteil gegen Deutschland ist schon absehbar. Die 2004 eingeführte Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung nachträglich – also erst in der Haft – anzuordnen, verstößt ebenfalls gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Auf diese Entscheidung wartet die Politik schon seit Monaten.
Vorher wollte der Gerichtshof nun aber offensichtlich noch mal zeigen, dass er keine Bedenken gegen die Sicherungsverwahrung an sich hat und es ihm nur um rechtsstaatliche Sicherungen geht.
In welchen Fällen Sicherungsverwahrung nötig ist, muss also politisch entschieden werden. Die FDP rühmt sich, dass nach der aktuell geplanten Reform nur noch Gewalt- und Sexualverbrecher in Verwahrung kommen. Das wäre zwar sinnvoll, ist aber bisher nicht wirklich geplant. Selbst der Straßburger Kläger, ein Supermarkteinbrecher, wäre weiter ein Fall für die Sicherungsverwahrung – weil er als Teil einer Bande gehandelt hat. Das aber ist exzessiv. Die FDP sollte ihrer Rhetorik Taten folgen lassen.
Inland SEITE 7