: Sturzflug ins Ungewisse
Krise des Flugzeugbauers Airbus bedroht Deutschland-Zentrale in Hamburg. Mutter-Konzern EADS berät über rigoroses Sparprogramm
AUS HAMBURGSVEN-MICHAEL VEIT
Die Ungewissheit über das Schicksal der Airbus-Standorte in Hamburg-Finkenwerder und an fünf weiteren norddeutschen Standorten ist noch immer nicht beendet. Erst heute will die Chefetage des Mutterkonzerns EADS die Leitungen der 17 europäischen Airbus-Werke und dann die Öffentlichkeit über die beschlossenen Maßnahmen informieren.
Der EADS-Verwaltungsrat beriet gestern in einer Videokonferenz darüber, wie der zweitgrößte Flugzeugbauer der Welt aus der Krise zu führen sei, die durch technische Probleme beim Bau des Riesenjets A 380 entstanden sind. Gewerkschaftskreise munkeln über ein „Power 08“ genanntes Sparprogramm, das Einsparungen von mindestens 2 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren vorsehe.
Die Fluggesellschaft Emirates gab gestern bekannt, sie werde ihre erste bestellte Maschine deutlich später erhalten als bisher geplant. Das ergebe sich aus einem neuen Auslieferungsplan von Airbus, der am Freitag nach einer ersten Krisensitzung des EADS-Verwaltungsrates an die wartende Kundschaft übermittelt wurde. Statt im Dezember werde Emirates den ersten A 380 erst im Jahr 2008 erhalten.
Die Fluggesellschaft aus Dubai, mit 43 Bestellungen der größte Kunde des Airbus A 380, erwägt nun, auf andere Flugzeuge auszuweichen. „Das ist ein sehr großes Problem“, sagte Emirates-Chef Tim Clark. „Wir prüfen jetzt alle Optionen.“ Dazu gehört auch, von Airbus die für den Fall von Verzögerungen vereinbarten Vertragsstrafen zu fordern und auf Maschinen des Konkurrenten Boeing ausweichen.
Auch die Lufthansa ist von der Verzögerung betroffen: Die Fluggesellschaft sei über eine Verzögerung von einem Jahr informiert worden, sagte ein Lufthansasprecher gestern. Die erste von 15 bestellten Maschinen solle nun im Sommer 2009 und nicht wie bisher zugesagt im August 2008 geliefert werden.
Ausgesetzt wurde vom EADS-Verwaltungsrat die Investitionsentscheidung für den Bau eines Auslieferungszentrums in der Deutschland-Zentrale Hamburg-Finkenwerder. Das eröffnet die Möglichkeit, die Kundenübergabe der A 380 im französischen Toulouse zu konzentrieren. Geplant war bisher, in Hamburg die Flugzeuge für Airlines aus Europa und dem Nahen Osten auszuliefern. Vor allem französische Medien spekulierten seit dem Wochenende über drastische Maßnahmen für Hamburg, das nach Toulouse der größte Produktionsort für den A 380 ist. Demnach würde das Werk an der Elbe die Kabineneinrichtung, den Flugzeuganstrich sowie die Auslieferung an Kunden in Europa und im Nahen Osten verlieren. Der Superjumbo würde künftig fast vollständig in Toulouse gebaut. Im Gegenzug werde die Fertigung des Mittelstreckenjets A 320 zu großen Teilen in die Hansestadt verlagert.
In Hamburg arbeiten zurzeit 2.500 der etwa 11.000 Mitarbeiter direkt am A 380. In fünf weiteren Werken in Norddeutschland stellen zusammen knapp 10.000 Beschäftigte einzelne Komponenten für den Riesenjet her.