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Archiv-Artikel

Kernig klären

Hamburger Verfassungsgericht tendiert dazu, die Klage gegen Protokoll-PUA abzuweisen

VON KAI VON APPEN

Der Vorsitzende des Hamburgischen Verfassungsgerichts, Wilhelm Rapp, stellte sich im Streit über den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Protokollaffäre gestern auffällig naiv: „Wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck besteht, der PUA will lückenlos die Wahrheit herauszufinden, dann interessiert doch auch, was an Dritte weitergeben worden ist“, philosophierte er. „Dann sollte man die Öffentlichkeit nicht enttäuschen.“ Ein deutlicher Wink, dass das Gericht zurzeit dazu tendiert, der CDU-Mehrheitsfraktion in der Bürgerschaft zu folgen und gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVG) zu votieren.

Die CDU hatte am 12. April mit ihren Stimmen den Arbeitsauftrag des von der Opposition eingesetzten PUA „Weitergabe vertraulicher Dokumente des PUA ‚Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße‘ an den Senat“ einfach abgeändert. Sie fügte den Zusatz „auch an Dritte“ ein.

Für SPD und GAL ist dies ein „Störfeuer“, um den „Kern“ des Arbeitsauftrags „zu verwässern“, nämlich die Protokollverschickung und die Zeugenbeeinflussung durch den Senat zu untersuchen. Stattdessen sollten Abgeordnete der Opposition an den Pranger gestellt werden. Diese werden von der CDU bezichtigt, Unterlagen aus dem PUA-Feuerbergstraße an Journalisten weitergeben zu haben.

Durch die Erweiterung des Auftrages, so die Opposition, würden ihre nach der Verfassung garantierten „Minderheitenrechte“ beschnitten und die Arbeit durch die Vernehmung von zusätzlichen Zeugen dermaßen hinausgezögert, dass der PUA seine Untersuchung in dieser Legislaturperiode nicht mehr abschließen könnte.

Daher entbrannte gestern ein heftiger Schlagabtausch in der Verhandlung vor dem obersten Hamburger Gericht über die Frage, ob der Auftrag im „Kern“ verändert wird. Ex-Bundesverfassungsrichter und Oppositionsanwalt Jürgen Kühling zitierte ein BVG-Grundsatzurteil, dass eine Abänderung des Auftrages durch die Mehrheit „nur dann zulässig ist“, wenn dadurch „Misstände“ beseitigt würden. „Es geht nicht um die Weitergabe von Dokumenten schlechthin, sondern um die Weitergabe an den Senat, und was der Senat damit getan hat“, insistierte Kühling. „Indiskretionen von Abgeordneten kann man ja auch gern mal untersuchen“, so Kühling süffisant weiter. „Das ist aber ein anderer Gegenstand.“

Bei der Frage der Verzögerung, gestand Rapp, „stehen wir noch im Nebel“. Die Bürgerschaftskanzlei behauptete, es würden nur wenige Zeugen mehr vernommen. „Journalisten können sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen“, frotzelte er, „und andere Zeugen werden häufig unter Amnesie leiden.“

Dem widersprachen jedoch die Abgeordneten Andreas Dressel (SPD) und Christian Maaß (GAL). Wenn die Untersuchung Sinn machen solle, müssten viele Abgeordnete, Fraktions- und Arbeitsstabmitarbeiter des PUA Feuerbergstraße vernommen werden, wenn „die Beschuldigten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machten“, prophezeite Maaß. „Auch wenn jemand Amnesie hat, führt das nicht automatisch dazu, dass die Vernehmung zügiger geht.“

Das Urteil soll am 6. November verkündet werden.