Die Risiken des Autofahrens

Des siebenfachen versuchten Mordes sind zwei junge Männer angeklagt, die Steine auf die Autobahn geworfen haben

Rafael W. und Christian M. haben in drei April-Nächten von Autobahnbrücken in Bremen Steine auf fahrende Wagen geworfen. Siebenmal insgesamt. Das haben die jungen Männer – der eine ist 20, der andere 19 Jahre alt – gestanden. Dass sie damit Menschen hätten töten können, muss ihnen klar gewesen sein. Gestern hat ihr Verfahren vorm Landgericht begonnen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord in sieben Fällen. Als sie in der Nacht zum 24. April 2006 von einer Zivilstreife aufgegriffen wurden – die Jungmänner waren im Auto von Rafaels Mutter unterwegs –, stellten die Beamten im Kofferraum des Wagens mehrere Steine sicher. Pflasterklinker, wie sie damals bei einem Baumarkt im Angebot waren.

Wie die in den Kofferraum gekommen waren, da weichen die Angaben voneinander ab. Rafael behauptet, er hätte nur beim Einladen geholfen. „Christian wollte es unbedingt noch einmal machen.“ Schließlich hatten sie, fünf Nächte zuvor, mit fünf Würfen, für Schlagzeilen gesorgt, und das sei ja das Ziel gewesen: „in die Zeitung kommen“.

Christian hingegen sagt, dass er die Steine zum ersten Mal gesehen habe, als die Beamten sie entdeckten. Der Polizei hatte er noch erzählt, die hätten sie gemeinsam geklaut. Gestern bestand er darauf, dass er von dem Diebstahl nichts mitbekommen habe. Er habe bei McDonalds, wo sich die zwei zuvor getroffen hatten, einen Burger gegessen, und sein Kollege sei eben halt mal kurz weg gewesen. Freund will er Rafael nicht nennen. Der sei eigentlich „unsympathisch“, auch in der Berufsschule, wo sie sich kennengelernt hatten, habe ihn keiner gemocht. „Er hat sich’s versaut“, das sagt der Angeklagte Christian W. wörtlich.

Er trägt seine Geschichte im flotten Plauderton vor, gestikuliert munter und hat meist salopp ein Bein untergeschlagen. Über sein Verhalten im Straßenverkehr sagt er: „So schlimm wie andere bin ich nicht“, und erzählt, wie ihm im März ein Unfall mit einer Katze bei Glatteis die Augen geöffnet habe für die Risiken des Autofahrens. Bei den Taten soll sein Kompagnon treibende Kraft gewesen sein. Der habe ihn nach dem ersten Mal bedroht, für den Fall, dass er hätte abspringen wollen, und dabei den Eindruck erweckt, er verfüge über beste Beziehungen zur Polizei und könne sich aus allem herauswinden.

Der solcherart in Schwarz Dargestellte wirkt eher unbedarft. Er nuschelt, sitzt ein wenig steif in der Anklagebank, die Hände auf den Knien. Schulische Probleme, Probleme auf der Arbeit, Freundin weg. Aber nach dem ersten Wurf, so schildert er, sei das ein Gefühl gewesen, als ob er sich von „den Sorgen, die ich hatte, befreit“ hätte. Sie beide hätten sich Massenkarambolagen ausgemalt, wie im TV. Der Antreiber? „Christian wollte sehen, was passiert.“

Verteidiger, Anklage und zwei Nebenkläger werden noch Fragen haben. Richterin Barbara Lätzel beendete den ersten Verhandlungstag mit dem Hinweis, dass es „sehr, sehr selten“ vorkommt, dass „bei solchen Taten in diesem Alter einer der Ganz-Böse und der andere nur Mittäter“ gewesen ist. Und mahnte: „Denken Sie darüber nach.“ bes