Der beste Freund des Chefs

Manuel Andrack kam, sein Wanderbuch vorzustellen, aber er kam nicht allein. Seine Hilfskraft Victor gab der Buchpräsentation im Postbahnhof Witz und den Appeal einer nicht ganz unbekannten Show

VON BRIGITTE PREISSLER

Wer, zur Hölle, ist bloß dieser Victor? Das fragten sich am Donnerstagabend alle, die wegen Manuel Andrack und seines Wanderbuchs in den Postbahnhof gekommen waren und nun von einem Unbekannten begrüßt wurden. Er trage beim Wandern immer eine Gore-Tex-Jacke, mit Erosfaktor 1 auf der nach oben offenen Eros-Skala, erzählte er.

„Vom Fernsehen bin ich es gewohnt, dass immer jemand dabei ist, der mir hilft“, erklärte Andrack, hinlänglich bekannt als „Sidekick“ von Harald Schmidt. Also hatte er einen seiner zwei besten Freunde mitgebracht. Seit 25 Jahren kenne er den Schauspieler Victor Calero nun schon, dieses Jahr hätten sie „Silberne Freundschaft“ gefeiert. Victor machte im Postbahnhof also quasi den „Andrack vom Andrack“. Sein Job war es, dem Chef hübsche Witzvorlagen und Dialog-Stichworte zu liefern, damit der Abend um das Buch „Wandern. Das deutsche Mittelgebirge für Amateure und Profis“ heiter und haraldschmidtshowartig vonstatten ging.

Dabei machte Victor seine Sache gar nicht schlecht. Erst erzählte er zum Beispiel, was für eine üble Konkurrenz-Sau dieser Andrack sei. Einmal seien sie zusammen durch die Erlanger Innenstadt gegangen. Aus heiterem Himmel habe Andrack ihn da plötzlich gegen den Stehtisch von irgendeinem Straßencafé geschubst und „Eins zu null im Gegen-Stehtische-Fliegen“ gesagt. Noch viel gemeiner findet Victor aber, dass Andrack in seinem Buch von der Teilnahme bei der 4. Wanderweltmeisterschaft 2006 im steiermärkischen Schladming ausschließlich in Ich-Form berichtet, obwohl er, Victor, doch die ganze Zeit dabei gewesen sei!

So war er beispielsweise Zeuge, wie Parka-Mann und Jogging-Frau, zwei Konkurrenten um den Titel des Wanderweltmeisters, mühelos an Andrack vorbeizogen, „dabei sah Parka-Mann aus wie der letzte Dorfdepp“. Die Sonnenaufgangswanderung am zweiten WM-Tag, die habe er allerdings nicht mitgemacht, erklärte Victor. Andrack dagegen ließ sich bereits um vier Uhr morgens mit dem Bus auf den Gipfel des Berges Roßfeld fahren, um dann eine Höhendifferenz von 1.200 Metern zu überwinden, „abwärts“. „Knieschnaggler“ heißen solche Bergabwanderungen im österreichischen Wanderjargon. Den Zustand seines Freundes bei der Rückkehr beschrieb Victor so: „Du sahst aus wie Scheiße.“

Die Motive auf den Dias, die Manuel und Victor aus dieser Wanderhölle sowie von diversen Lesereisen mitgebracht hatten, waren teilweise auch nicht viel ansehlicher. Eines zeigte zum Beispiel Andracks wanderschuhgeschädigte Ferse, inklusive einer Menge blutiger Schrumpelhaut und rohen Fleischs. Beim Verzehr einer Portion Spaghetti „aglio e olio“ vom Vortag aus einer Plastik-Tupperdose war Andrack zu bewundern, wobei sich das „olio“ beim Wandern aufgrund niedriger Außentemperaturen bereits zum Biskin-Zustand verfestigt hatte.

Wolfgang Büscher wanderte los, um Deutschland zu erkunden; Hape Kerkeling zog nach Santiago de Compostela, um Gott zu finden. Manuel Andrack schildert in seinem Buch die schönsten Wandertouren durch Stuttgart, das Siebengebirge, die Sächsische Schweiz oder den Pfälzer Wald und will damit laut Vorwort „alle Vielwanderer und neugierig gewordene Wandernovizen ermutigen, Deutschland und seine unterschiedlichen Regionen kennenzulernen“. Das Fersen-Dia und die Biskin-Spaghetti wirkten in dieser Hinsicht zwar eher kontraproduktiv. Sie und der lustige Victor trugen indes maßgeblich zum vergnüglichen Ablauf der Manuel-Andrack-Show im Postbahnhof bei. Hierbei verfestigte sich der naheliegende Eindruck: Manuel Andrack wandert, um ein zweiter Harald Schmidt zu werden. Und das machte immerhin neugierig auf Andracks neue Wanderbibel.

Manuel Andrack: „Wandern. Das deutsche Mittelgebirge für Amateure und Profis“. Kiwi Köln 2006, 220 Seiten, 8,95 €