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: Ist jetzt endlich auch mal gut?

Wer während der WM verreist war, dem dämmert erst allmählich, wie verbissen die Deutschen ihren tollen neuen Patriotismus feiern

Sommer war’s auf einem Campingplatz an den lieblichen Ufern der Loire, als ich mich von hinten zwei ahnungslosen Erbfeinden näherte, die auf einem kleinen Fernsehgerät gerade das Eröffnungsspiel der Fußball-WM verfolgten. Mit teutonischer Tücke erkundigte ich mich bei den arroganten Froschfressern in ihrer Muttersprache, wie sich die Deutschen denn so schlügen.

Erst als mir mit missmutiger Geste beschieden wurde, diese „boches“ spielten „trop fort“ („zu stark“), gab ich mich schuldbewusst als Deutscher zu erkennen – worauf die wohlerzogenen Messieurs mit manierlicher Bestürzung flugs korrigierten, die Deutschen wären nicht „trop“, sondern „trés fort, trés fort!“, also „sehr stark“. Ich verstand.

Lange nach der Heimkehr noch war ich geneigt, all das neopatriotische Fahnengeflatter und parapräsidiale Deutschlandgeschnatter als Nachglühen einer offenbar unterhaltsamen sportlichen Veranstaltung zu werten. Doch es will kein Ende mehr nehmen!

Von der taz bis zu den „Tagesthemen“, in der Zeit und sogar im Deutschlandfunk – überall erklingt der gleiche brotdumme Brummton der Autosuggestion, wir hätten über das Spiel „endlich“ zu einem „unverkrampften Umgang“ mit unserer „dunklen Vergangenheit“ gefunden. Echt? Toll! Seltsam nur, wie willig wir uns gleichschalten lassen, ganz wie früher. Unverkrampft und freiwillig. ARNO FRANK