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Archiv-Artikel

Spaß mit Phallus

PORNO Das 5. Berliner Pornfilmfestival zeigt ab heute Dokus und Spielfilme für queere, straighte und unentschiedene Zielgruppen

VON JENNI ZYLKA

Im dokumentarischen Kurzfilm „Women Talk about Porn“ drückt eine Frau ihre Missbilligung über den Money Shot aus, den Cum Shot, der in vielen Heteropornos den Schluss der Action markiert: Nur einer der Sexpartner ist sichtbar gekommen, dann ist Ruhe im Karton.

In der französischen Doku „D/s. Une Comédie Sado-Masochiste“ wiederum sind selten überhaupt Geschlechtsteile zu sehen. Ich mag keinen Sex mit anderen, erklärt eine Dominatrix. Später lässt sie sich bei einer Party mit dominanten Frauen und devoten Männern auf dem nackten Rücken eines Zöglings Essen servieren und die Füße lecken. Sie wickelt einen der Männer in Plastikfolie ein, bis er aussieht „wie eine Lammkeule“, wie eine der Ladys kichernd bemerkt.

Schwänze im Überfluss

In „Twinklight“, einer sich lose an die „Twilight“-Reihe anhängenden schwulen Nummernrevue von jungen, schönen Männern mit Vampirgebissen (die sie beim Oralsex hoffentlich rausnehmen), kann man sich dagegen an Schwänzen im Überfluss erfreuen. Würde man ein paar der Szenen rausnehmen und zwischen die freudlosen Begegnungen der Originale Edward und Bella schmuggeln, hätte man beiden Filmen Gutes getan.

Das 5. Berliner Pornfilmfestival mischt in seinem Programm wieder Dokus und Spielfilme für queere, straighte und noch unentschiedene erwachsene Zielgruppen. 2010 scheint das Angebot noch größer zu sein als in den letzten Jahren. Das Festival hat in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf Musicals gelegt. „Let My Puppets Come“ aus den 70ern veräppelt das damals erfolgreiche Broadway-Musical „Let My People Come“, und bei „Swinging in the Rain“ sagt der Titel alles.

Seit es Filme gibt, gibt es Pornos. Die Motivation, sich einen anzuschauen, ist der Grund seiner langsamen Entwicklung. So steht in vielen Produktionen auch im Jahr 2010 der noch auf eine bestimmte, meist männliche Sexualität fokussierende Cumshot am Ende. Masturbation praktiziert man normalerweise allein oder im ausgewählten Kreis, und man geht dafür nicht (mehr) ins Kino. Es gibt keine Testscreenings, nur wenig Resonanz von Konsumenten. Und trotz der in allen Bevölkerungsschichten, in allen sexuellen Verbindungen und Präferenzen nachgewiesenen Nutzung gilt: Wer zahlt schon für eine Masturbationsvorlage, wenn es die auch umsonst im Netz gibt?

Vielleicht steckt in Pornos darum tatsächlich mehr Leidenschaft, als man es manchen, gekonnt übertrieben stöhnenden Profis ansieht. Vor allem bei LaiendarstellerInnen, wie die sechs gut gelaunten San-Francisco-Lesben und der F-to-M-Transidentiker, die sich im dritten Teil der Pornoreihe „7 Minutes in Heaven: Fuck yeah!“ in allen denkbaren Konstellationen und Stellungen durch ein Haus vögeln. Und vielleicht muss man auch die Kritik am Cumshot, angesichts der selbstbewussten Lesben, die augenscheinlich viel Spaß am Oralsex mit Dildos haben, noch mal überdenken – nur sie selber wissen, was da mit diesem umgehängten Phallussymbol los ist.

Momentan hängen Vampir- und Zombiethemen global in der Luft, und so lässt auch der von dem kanadischen Pornohelden Bruce LaBruce stammende Eröffnungsfilm „L.A. Zombie Hardcore“ Untote lebendig werden. Er schickt einen eindrucksvoll gebauten Zombie durch Los Angeles, der sich trotz Fakeblood-Orgien vor der echten Penetration brav ein Kondom überzieht.

Vögeln in Mexico City

Ganz anders der von Abraham Cruzvillegas in fast statischen, ruhigen Einstellungen durchkonzipierte Film „Autoconstruccion“, in dem alle 20 Minuten mal ein selbstvergessen vögelndes Pärchen in den ärmlichen Outskirts von Mexico City auftaucht. Ein außergewöhnliches Stück Filmkunst – James Benning hätte es nicht anders gemacht.

Außerdem setzt das Festival die Tradition der irren „Alice im Wunderland“-Adaptionen fort, die im letzten Jahr mit einem wunderbaren 70er Softporno begann. In „Malice in Lalaland“ wird ein Mädchen von einem Kaninchen aus einer Anstalt befreit und hat fortan mit einer Menge Sexwütiger Spaß. Obwohl die Quintessenz des Festivals ist, dass jedem Tierchen sein Pläsierchen gegönnt werden soll, darf das Karnickel leider nie ran.

www.pornfilmfestivalberlin.de