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Archiv-Artikel

DIE POLIZEI MUSSTE EINHUNDERTZWEIUNDFÜNFZIG MINDERJÄHRIGE VON EINER SAUF-PARTY ENFERNEN. DIE DISCO-BETREIBER SOLLTE MAN ANZEIGEN Alkoholgezwinker

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Jugendliche und Alkohol, Kinder und Alkohol, das ist alles und immer wieder ein fröhliches Thema. War doch bei uns auch nicht anders. Haben doch auch. Nach der Konfirmation. Und bei Röpkes hinter dem Schuppen. Mensch, und der Jürgen. Der war schon mit dreizehn. Und die eine, die hat immer gekotzt. Erst ja nur heimlich, im Partykeller. Und weißt du noch den? Der ist ja dann. Und jetzt ja auch tot. Kann eben nicht jeder mit umgehen. Mit dem Alkohol.

Mit dem Alkohol fängt man auf dem Lande, und in der Stadt vielleicht auch, schon frühzeitig an. Es ist auch fast überhaupt nicht verboten. Es ist nur quasi verboten, mit Zwinkern, aber in echt siehe oben, in echt gehört das erste Kotzen zur Jugend wie früher in der Urzeit vielleicht die erste erlegte Wildratte.

In Schleswig Holstein, in einer Blechbaracken-Disco, die sich „Vineta“ nennt und in Busdorf in einem Gewerbegebiet namens Vikinger liegt, da haben die Jugendlichen gefeiert und getrunken, was das Zeug hielt, da hat der Einlass oder der Barmann oder die Betreiber gezwinkert bis zur Erblindung. Dann hat die Polizei eine Razzia gemacht und, man glaubt es nicht, einhundertzweiundfünfzig Minderjährige, von denen viele unter sechzehn Jahre alt waren, aus einer Party entfernt, die sich „Oldesloer Kornnacht“ nannte.

Was denkt man sich, wenn man eine Veranstaltung Oldesloer Kornnacht nennt? Lass uns Oldesloer Traditionen pflegen? Mit Korn? Denn Oldesloer Korn ist unsere Tradition? Die Polizei hat die einhundertzweiundfünfzig Minderjährigen einzeln in einem Reisebus nach Haus gefahren und ihren Eltern übergeben. Die Minderjährigen können wegen Alkoholkonsums und unerlaubten Aufenthaltes in einer Disco nach 24 Uhr nicht bestraft werden. Außer von ihren Eltern, aber die Eltern haben sie ja gehen lassen oder zumindest nicht gesucht oder abgeholt.

Die Eltern zwinkern ja auch nur, weil die Eltern das ja kennen, mit dem Trinken, aus ihrer eigenen Jugend. Wir zwinkern alle ganz doll. Wir sind eine Gemeinschaft von Trinkern. Wir trinken am Wochenende, wir trinken wenn wir feiern, wenn wir uns verabreden oder wir trinken, wenn wir traurig sind, Grund ist immer. Wir sind das Vorbild für unsere Kinder. Wir haben sie in unserer Obhut und wir formen sie für den Suff.

In Busdorf hat der Disco-Betreiber auf seiner Website unter „U18“ ein Formular zum Ausdrucken bereitgestellt. Man muss nur unterschreiben lassen, dass man eine volljährige Aufsichtsperson mit sich führt, dann kann man auch minderjährig noch tüchtig nach 24 Uhr feiern. Dass die volljährige Aufsichtsperson nicht trinken darf, nun ja, zwinker. Dass sie den minderjährigen Beaufsichtigten vom Trinken abhalten soll, noch mehr zwinker. Geht doch gar nicht. Auf der Oldesloer Kornnacht. Da gibt es doch Oldesloer Korn.

Aber was soll man machen? Was kann man machen? Verbieten bringt doch nichts. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe, von Eltern, die meinen, dass Verbieten nichts bringt und deshalb auch nichts verbieten. Ich sage das jetzt aus eigener Erfahrung, man kann tatsächlich seinen minderjährigen, jugendlichen Kindern etwas verbieten. Es wird sie nicht erfreuen, vielleicht werden sie laut, aber man kann. Man muss sogar. Man muss ihnen klar machen, was das mit dem Saufen auf sich hat. Man muss eine Alkohol-Barriere aufbauen, man zeigt ihnen dabei nebenbei auch noch, dass einem was an ihnen liegt. Man muss natürlich auch ein Vorbild sein und das eigene Saufen ein bisschen, oder sogar sehr reduzieren. Anders geht das nicht. Und dann muss man die Disco-Betreiber natürlich anzeigen. Das sind nicht die netten Leute, die ein Auge zudrücken, das sind skrupellose Geschäftsleute, die über alkoholvergiftete Kinderleichen gehen.Katrin Seddig ist Schriftstellerin, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen