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Archiv-Artikel

Der Stabilitätstest

Vier Siege in Serie, eine gute Stimmung im Team: Unter Jogi Löw läuft bisher alles dufte. Im Spiel gegen die Slowakei wird es erstmals richtig ernst

Joachim Löw ist nicht der Supervisor und Projektleiter, der Klinsmann sein wollte. Er ist Trainer, der Mann auf dem Platz

AUS BRATISLAVA MARKUS VÖLKER

Fast wäre es untergegangen, dass auch Joachim Löw im Blockbuster „Deutschland. Ein Sommermärchen“ mitspielt. Das liegt daran, dass alle Welt auf Jürgen Klinsmann und dessen urkomische Kabinenansprachen schaut. Während sich der Ex als hohlphrasiger Motivator entpuppt, ist Löw ganz er selbst. Sehr authentisch steht er auf dem Rasen und gibt in seinem schwäbelndem Singsang Anweisungen; dabei lässt er sich auch nicht von Regengüssen oder schwerfälligen Spielern abhalten. Löw ist der Mann auf dem Platz. Auch nach Klinsmanns Abgang ist er’s geblieben.

Jogi, der es wegen hervorragender Charaktereigenschaften und anderweitiger Eignung nun auch regelmäßig auf die Seite 1 dieser Zeitung schafft, ist nicht der Supervisor und Projektleiter, der Klinsmann sein wollte, er ist Trainer – unten auf’m Platz. Der neue Ko, Hansi Flick, hat da Mühe, sich ein Arbeitsfeld abzustecken. Aber im Deutschen Fußball-Bund (DFB) gibt es eben Posten, die besetzt werden müssen.

Jogi, Diminutiv in verantwortlicher Position, hat Klinsmann hinter sich gelassen. Das heißt: Das Nationalteam stellt sich seinen Aufgaben weniger verbissen. Der ganz große und stets ausgeklügelte Masterplan ist, so scheint es, entspannter Kameradschaft gewichen. So eine dufte Stimmung kann leicht mal aufkommen, wenn die Auswahl unter Löw viermal in Serie gewinnt und die Frankfurter Allgemeine Zeitung korrekt titelt: „19:0 für Löw“. So einen erfolgreichen Einstieg hatte noch kein Bundestrainer vor Löw, nicht Jupp Derwall und auch nicht Helmut Schön.

Die Kommentatoren überschlagen sich schier wegen der Reibungslosigkeit der Auftritte des Teams – und der von Löw selbst. „Ob an Joachim Löw ein Politiker verloren gegangen ist?“, fragt sich die Berliner Zeitung. Die FAZ lobt überschwänglich Löws „Mut, in die Zukunft zu planen und nicht nur dem nächsten Ergebnis hinterherzuhecheln“. Löw hatte zuletzt unter dem Motto „Du bist Deutschland“ vier Neulinge in den Kader berufen, die sich im Freundschaftsspiel gegen Georgien nicht schlecht schlugen. Aber heute, wenn es ernst wird gegen die Slowaken in der EM-Qualifikation (20.45 Uhr, ARD), darf nur noch einer aus dem Quartett der Novizen in der Startelf mitmachen: Außenverteidiger Clemens Fritz.

Zurück kommen Jens Lehmann (Tor), Phillip Lahm (linke Abwehrseite), Bernd Schneider (Mittelfeld) und Miroslav Klose (Sturm). Die von der WM gestählten Fachkräfte sollen einem slowakischen Team widerstehen, das am vergangenen Wochenende Wales auswärts mit 5:1 geschlagen hat. Das war ein imponierender Auftritt, auch wenn Fußballexperten einen „Busfahrer“ im Team der Waliser ausgemacht haben wollten. Die slowakischen Stürmer Marek Mintal und Robert Vittek haben sich also schon mal warm geschossen für die deutsche Auswahl, die überdies keine guten Erinnerungen an die Slowakei hat.

Im September des vergangenen Jahres verlor das DFB-Team in Bratislava mit 0:2. Traditionell tut sich die DFB-Elite auf fremden Plätzen schwer – und nicht immer trifft man auf marinesische Hobbykicker. Fakt ist, dass Joachim Löw und seine Kameraden ein schweres Spiel erwartet, in dem nicht nur die Stabilität der Innenverteidigung um Manuel und Arne Friedrich getestet wird, sondern womöglich auch die Stabilität des Systems Löw. Kann er dem öffentlichen Druck standhalten? Ist er so weich, wie ihn Gerhard Mayer-Vorfelder seinerzeit beim VfB Stuttgart erlebt haben will? Kann Löw die Phalanx der Fürsprecher geschlossen halten? Bleibt der neue Bundestrainer auch bei Misserfolg notorisch entspannt und freundlich?

Das alles sind Fragen, die nach dem Spiel in Bratislava vielleicht noch nicht beantwortet werden können. Irgendwann aber werden sie aufs Tapet kommen. In diesen Tagen steckt Joachim Löw freilich erst mal in den Mühlen des Tagesgeschäfts. „Die Slowaken werden uns alles abverlangen“, sagt er, „wir müssen an unsere Leistungsgrenze gehen.“

Diese Sätze kennt man vom Bundestrainer. Vielleicht liegt es an seiner Berechenbarkeit, dass ihn bis zur Euro 2008 kein Dokumentarfilmer begleitet – was sehr, sehr schade ist.