hört auf den Sound der Stadt

TIM CASPAR BOEHME

Was haben Musik und Wirtschaft miteinander gemein? Die Künstler Marcus Schmickler und Julian Rohrhuber sehen zumindest eine große Übereinstimmung: Beide Phänomene haben sehr viel mit Zahlen zu tun. In der Wirtschaft gibt es die Kategorie der Transaktion als Abstraktionsvorgang, bei dem Dingen wie Häusern, Tieren oder geleisteter Arbeit ein bestimmter Zahlenwert zugeordnet wird, dem am Ende eine (fällige) Geldmenge entspricht. Ein an sich kurioser Vorgang, in dem der Philosoph Alfred Sohn-Rethel sogar die Anfänge des abstrakten Denkens überhaupt zu erkennen meinte. In der Musik hingegen sind Parameter wie Tonhöhe, Takt oder Rhythmus durch Zahlen bestimmt: Töne schwingen mit einer bestimmten Frequenz, man teilt ihren zeitlichen Ablauf in Vierviertel-, Dreiviertel- oder auch mal Neunachteltakte ein, und der Rhythmus wird durch Notenwerte verschiedener Dauer festgelegt. Zahlen überall. Während in der Wirtschaft, so Schmickler und Rohrhuber, jedoch der stetige Wandel, von Aktienkursen etwa oder als Wirtschaftswachstum im Allgemeinen, das Geschäft bestimmt und als notwendiger Faktor beschworen wird, dient die Zahl, als abstrakte, unveränderliche Einheit verstanden, ihnen als Gegenmodell gegen das vorherrschende ökonomische Denken. „Politiken der Frequenz“ heißt ihr gemeinsames Projekt, das sie am Donnerstag bei einem „Sound-Abend“ mit Diskussion in den Kunstwerken vorstellen (Auguststr. 69, 19 Uhr, 3 €).

Am selben Abend können sich Vinylliebhaber im Hamburger Bahnhof einer gründlichen Tapferkeitsprüfung unterziehen. Dort eröffnet die Ausstellung „Broken Music / Re:Broken Music“, um das 50. Jubiläum der „Broken Music“-Konzertaktionen des tschechischen Performancekünstlers Milan Knížák zu feiern, der das Medium Schallplatte nutzte, um damit „kaputte Musik“ zu erzeugen: Er bemalte, verbrannte und zersägte seine Platten, klebte sie neu zusammen, ließ sie dann auf Schallplattenspielern laufen – und zerstörte nicht selten die Abspielgeräte gleich mit. Für die Darbietung am Donnerstag wird Knížák, der in Konzerten auch Kassettenrecorder und Tasteninstrumente bedient, von seinem Assistenten Phaerentz unterstützt (Invalidenstr. 50–51, 20 Uhr, 10/6 €).

Ein weiteres Jubiläum steht am Sonntag an: Das Rathaus Schöneberg wird 100 Jahre alt. Und vor 44 Jahren gründete die Band Tangerine Dream in Schöneberg ihr Studio. Um die damit verbundene Bedeutung des Stadtteils für die elektronische Musik zu feiern, erklingt vor dem Rathaus das Auftragskonzert GlockenKlang für Notglocken, Elektronik und Stimmen (John-F.-Kennedy-Platz, 19.30 Uhr, Eintritt frei).