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Dafür, dass sie gar nicht Integrationssenatorin werden wollte, bringt ihr der Job gerade viel Öffentlichkeit – und vielleicht die Chance, nach ganz oben zu kommen. Dilek Kolat (SPD), deren Verhandlungen jetzt zur weitgehend friedlichen Auflösung des bundesweit bekannt gewordenen Flüchtlingscamps im Berliner Stadtteil Kreuzberg führten, wäre nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 lieber Finanzsenatorin geworden. Berlins Haushalt und seine Milliardenschulden, das war zuvor im Landesparlament ihr Feld gewesen, zuletzt als Vizefraktionschefin. Als Integrationspolitikerin hingegen hatte sich Kolat, die im Alter von drei Jahren aus der Türkei nach Berlin kam und später Wirtschaftsmathematik studierte, nicht hervorgetan – dafür ist familienintern ihr Mann Kenan zuständig, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland.
Der Job als Kassenwartin war jedoch nicht frei, und die Alternative, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen zu werden, dann doch nicht so unattraktiv, dass Kolat abgelehnt hätte. Lob bekam sie lange wenig – Fördermittel blieben liegen, sie musste einen Staatssekretär entlassen, legte sich mit dem Integrationsbeirat des Landes an. SPD-intern kämpft sie derzeit um ihre Wiederwahl als Kreisvorsitzende.
Es war im Januar, der CDU-Innensenator hatte gerade koalitionsintern eine gewaltsame Räumung des Camps auf dem Oranienplatz nicht durchbekommen, als sich Kolat als Verhandlerin in dem verfahrenen Konflikt anbot. Chancen auf Erfolg gaben ihr wenige. Geredet hatten vergeblich auch schon die im Bezirk Kreuzberg regierenden Grünen mit den Flüchtlingen – was sollte sie da bewegen?
Kolat, die trotz ihrer nur knapp 1,60 Meter Größe meist mit ihren Outfits in oft poppigen Farben die Blicke auf sich zieht, hat es offenbar verstanden, Vertrauen ohne unhaltbare Versprechungen zu schaffen, und gute Mitstreiter gehabt. Sie mag davon profitiert haben, dass nicht wenige Flüchtlinge nach eineinhalb Jahren Besetzung vom Leben in Zelten schlicht genug hatten – nichtsdestotrotz hat sie einen Konflikt entschärft, den manche schon in Straßenschlachten ausufern sahen.
Ob zielgerichtet oder als Nebeneffekt: Kolat hat sich damit in Berlin, wo die SPD seit über einem Jahr über die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit diskutiert, auf Augenhöhe mit anderen Bewerbern gebracht. STEFAN ALBERTI