: Das Netz der Sünde
Im World Wide Web nutzt die Bremer Martinikirche ihre Partnerschaft mit einer lettischen Gemeinde als Forum für schwulenfeindliche Parolen – garniert mit dem Staatswappen der Hansestadt. Aber wirklich nur aus Versehen, wenn man Pastor Jens Motschmann glauben will
Vielgestaltig wie das Internet ist der christliche Glaube. Ein besonderer Geist weht auch auf der Homepage der Bremer St. Martini-Gemeinde: Unter der Rubrik „Gemeinde/Städtepartnerschaften“ räumt sie den Ergüssen des Erzbischofs von Riga, Janis Vanags, breiten Raum ein.
Diese sind vor allem eines: homophob. In dem Aufsatz „Wie kann die Kirche den Homosexuellen helfen?“ diagnostiziert der Geistliche eine schwul-lesbische Weltverschwörung. Das „gesellschaftliche Denken“ werde, so Vanags, „gezielt beeinflusst“. Nämlich durch einen „Drei-Stufen-Plan der Aktivisten der Schwulenszene“, der, „in anderen Staaten erprobt“, nun in Lettland zur Anwendung komme. „Die drei Stufen sind“, so Lettlands Oberhirte, „Abstumpfung, Verwirrung und Entstellung.“
Das einmal geklärt, kann der Website-Besucher den Link „weiterlesen“ wählen, um zu erfahren, wie die Schwulen sich einen Minderheiten-Status durch einen „raffinierten Kampf“ erschleichen. Und wie der Bischof die „Lösung des Problems“ vorantreiben will. Unweigerlich aber wird der User direkt unterm Hirtenbrief, ein „Dankschreiben des Präsidenten des Senats“ entdecken, optisch hervorgehoben durchs offizielle Wappen der Freien Hansestadt Bremen.
Ein erstaunlicher Kontext: Eine Belobigung des Bürgermeisters gibt es zwar wirklich. Aber die ist fünf Jahre älter als Vanags Pamphlet. In dem Brief rühmt der damals regierende Henning Scherf (SPD) den „tiefgegründeten menschlichen Austausch christlicher Nächstenliebe“, den der Martini-Pastor vorantreibe. Inhaltlich könne man den Kirchen zwar „nicht reinreden“, heißt es aus dem Rathaus. Aber im Falle des Staatswappens werde man intervenieren: „Das dürfen die nicht benutzen.“
Vielleicht hat Pastor Jens Motschmann das nicht gewusst. Allerdings hat er gute Kontakte zur Verwaltung: Seine Gattin Elisabeth bekleidet seit Jahren das Amt der Kulturstaatsrätin. Ein bloßes Versehen ist es dem Theologen zufolge auch, dass von den acht Beiträgen zur Baltikum-Partnerschaft vier aus der Feder Vanags’ stammen und ausnahmslos das Thema Homosexualität aufgreifen. Das sei, so Motschmann „ein Ungleichgewicht“, das „korrigiert werden“ müsse. Der Webmaster habe „ein Konvolut“ an Dokumenten erhalten und es wahllos online gestellt. Die Kirchen im Osten hätten „Probleme mit der unglaublichen Freiheit des Westens“, erklärt Motschmann die Inhalte. Eine Distanzierung? Wohl kaum: Unverhohlene Bewunderung hat Motschmann in einem Gemeindebrief des Vorjahrs seinem lettischen Bruder gezollt – nicht zuletzt für seine „klaren Worte“ zur „Homosexualität“. BES