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Archiv-Artikel

Senegal sucht Schlupflöcher

Erstmals sagt Spanien einem afrikanischen Migrationsland legale Arbeitsmigration zu

Deportierten bekommen bei der Ankunft ein Sandwich, ein Getränk und 15 Euro

BERLIN taz ■ Mit bilateralen Vereinbarungen wollen europäische und afrikanische Regierungen die unkontrollierte Migration in den Griff kriegen. Die Außenminister von Spanien und Senegal, Miguel Angel Moratinos und Cheikh Tidiane Gadio, unterzeichneten am Dienstag in der senegalesischen Hauptstadt Dakar ein Abkommen, wonach zukünftig auch legale Migration aus Senegal nach Spanien möglich sein soll, ähnlich wie bereits aus manchen lateinamerikanischen Ländern. Eine entsprechende Anwerbeagentur soll in Spanien gegründet werden.

Moratinos verwies darauf, dass 30.000 Senegalesen völlig legal in Spanien lebten und sein Land dieses Jahr ein Arbeitskräftedefizit von 200.000 qualifizierten Personen habe. „Wir werden einen neuen Mechanismus etablieren, eine Art Fenster, um direkt und legal Senegalesen unter Vertrag zu nehmen, die in Spanien arbeiten wollen“, erklärte er. Weitere Vereinbarungen regeln eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit.

Sein eigentliches Ziel erreichte Moratinos allerdings nicht. Ein Abkommen über die Rücknahme abgeschobener Senegalesen aus Spanien kam nicht zustande. Die Unterzeichnung sei noch nicht möglich, sagte der senegalesische Minister Gadio im Hinblick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen im Februar 2007. Senegals Präsident Abdoulaye Wade steht unter Druck von Oppositionellen, die ihm neben einem autoritären Regierungsstil auch „Servilität“ gegenüber Europa in der Migrationsproblematik vorwerfen.

Von den fast 27.000 Afrikanern, die dieses Jahr bereits per Boot über den Atlantik auf die Kanarischen Inseln gelangt sind, stammen rund 60 Prozent aus Senegal. Mehrfache Ansätze Spaniens, Illegale per Flugzeug in ihre Heimat abzuschieben, waren in den vergangenen Monat am Protest der Betroffenen und zeitweise auch der senegalesischen Behörden gescheitert. Seit dem 14. September allerdings laufen die Deportationen wieder, mit drei Flügen pro Woche in das nordsenegalesische Saint-Louis. 2.385 Senegalesen sind bis vergangenen Dienstag auf diesem Wege bereits deportiert worden; gestern und am morgigen Freitag sollten weitere 480 dazukommen. Sie bekommen bei der Ankunft ein Sandwich, ein Getränk und umgerechnet 15 Euro und können dann sehen, wo sie bleiben. Diese Massenabschiebungen sorgen in Senegal zunehmend für Unruhe.

Mit Senegals Nachbarstaaten Guinea und Gambia hatte Moratinos auf seiner Reise bereits Abschiebeabkommen unterzeichnet. Für jeweils fünf Millionen Euro sagten die beiden Regierungen zu, Deportierte zurückzunehmen und Hilfe zur Überwachung ihrer Küsten anzunehmen. Senegal ist jetzt das letzte Land der Region ohne Auslieferungsabkommen mit Spanien.

Die Vereinbarung, legale Migration möglich zu machen, ist ein Durchbruch in Richtung freier Arbeitsmigration aus Afrika auf den reichen Nachbarkontinent Europa. Im September hatte Senegals Regierung mit Frankreich ein Abkommen unterzeichnet. Das ging zwar nicht so weit, gewährte aber immerhin ausgewählten Personenkreisen die Möglichkeit, Mehrfachvisa in den Schengen-Raum mit einer Laufzeit von fünf Jahren zu bekommen und sich in dieser Zeit nach freiem Gutdünken bis zu drei Monaten in Europa aufzuhalten. Dies gilt für Künstler, Sportler, Intellektuelle, Unternehmer und andere Menschen, „die aktiv an den wirtschaftlichen, professionellen, wissenschaftlichen, universitären, kulturellen und sportlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern teilnehmen“. Zugleich akzeptierte Senegal die Rücknahme deportierter Senegalesen aus Frankreich. Von legaler Arbeitsmigration war keine Rede. Das Abkommen wurde in Senegal heftig kritisiert, weil es eine privilegierte Elite schafft, die Reisefreiheit bekommt.

Die Fischer aus Senegals Küstendörfern, die wegen des Leerfischens ihrer Gewässer durch EU-Fangflotten arbeitslos werden und auswandern, haben davon jedenfalls nichts. Nach Angaben des senegalesischen Statistikamtes wird aufgrund der Massenauswanderung senegalesischer Fischer allmählich Fisch im Senegal knapp. Der einheimische Fang sank nach Angaben des Amtes in der ersten Jahreshälfte 2006 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14 Prozent. Fisch ist in Senegal ein Grundnahrungsmittel. DOMINIC JOHNSON