: Angriff der Klangpanzer
ÜBERWACHUNG In seiner Soundinstallation „Echo“ in der Berlinischen Galerie lässt der Künstler Nik Nowak rollende Mikrofondrohnen auf die Besucher los. Zu dieser inszenierten Bedrohung der Privatsphäre türmt der britische Musiker The Bug zur Eröffnung Bassmassive auf und läßt die Sirenen heulen
Besucher der Berlinischen Galerie müssen sich dieser Tage auf eine Attacke von Miniaturpanzern gefasst machen. Wer den Raum der Installation „Echo“ des Künstlers Nik Nowak betritt, wird per Kamera von einem aufdringlichen Kettenfahrzeug erfasst, das sofort beginnt, sich auf den Gast zuzubewegen. Ist die Drohne nah genug, werden Worte und Geräusche der Person von einem Richtmikrofon eingefangen. Über eine riesige Verstärkeranlage kommen die eigenen Sätze dann als Echo durch den Raum zurück, für alle Anwesenden deutlich hörbar.
Die Botschaft dieser akustischen Verdopplung bekommen die Besucher mit unmittelbarer Wirkung zu spüren: Was im Internet kaum merklich mit der Sphäre des Privaten geschieht – eine fortschreitende Demontage durch teils freiwillig, teils unfreiwillig preisgegebene Daten an eine unbekannte Öffentlichkeit –, bekommt hier den Charakter einer direkten Bloßstellung. Unbedachte Äußerungen können in Sekundenbruchteilen zur Peinlichkeit geraten.
Nik Nowak, 1981 in Mainz geboren, beschäftigt sich in seinen Arbeiten immer wieder mit Soundobjekten, in denen oft Militärtechnik zum Einsatz kommt. Für seinen Ansatz wurde er jetzt mit dem Gasag Kunstpreis 2014 belohnt, den die Gasag gemeinsam mit der Berlinischen Galerie vergibt. Zu seinen bekanntesten Installationen gehört ein „Panzer“ von 2011, in dessen Außenhülle er Lautsprecher einbaute, mit denen er seine Umgebung beschallte. „Sonic warfare“, Kriegführung durch Klang, ist eines seiner Themen, das sich in der Arbeit „Echo“ mit Fragen der Überwachung überschneidet.
Eine ganz andere Art des Klangkriegs herrschte am Donnerstag zur Eröffnung der Ausstellung, für die Nowak den britischen Musiker Kevin Martin eingeladen hatte. Martin, seit den achtziger Jahren in verschiedensten Konstellationen an die Öffentlichkeit getreten, darunter die Jazzcore-Band God, wandte sich später verstärkt Genres wie HipHop und Bassmusik zu. Sein bekanntestes Projekt ist The Bug, mit dem er sich Dancehall-Reggae und Dubstep in experimentierfreudiger, bisweilen aggressiver Form aneignete.
Obwohl er seine Performance „Sirene“ als The Bug bestritt, war von der Musik, die er früher unter diesem Namen hervorbrachte, wenig zu vernehmen. Zwar machte er von der mächtigen Lautsprecheranlage der „Echo“-Installation, die am einen Ende des Raums allein zehn wuchtige Bassverstärker aufbietet, ausgiebigen Gebrauch und türmte Bassmassive auf, mit denen er einen Teil der Zuhörer bald in die Flucht schlug, doch nach dem Dub-Reggae, der in diesem dröhnenden Gewitter angeblich verarbeitet sein sollte, suchte man eher vergebens.
Stattdessen legte er Sirenentöne und orgelartige Melodien als sich immer stärker überlagernde Dauerschleifen aufeinander. Ein Echo, das sich der Überwachung entzieht, indem es den Raum des Privaten überlagert und dessen Spuren verschwinden lässt – wenn auch unter Schmerzen.
TIM CASPAR BOEHME
■ Bis 30. Juni, Berlinische Galerie, www.berlinischegalerie.de