Cuxhaven segelt Kurs Jamaika

Die Niedersachsen-CDU öffnet sich für neue Machtoptionen: In Cuxhaven übernimmt eine Schwampel die Macht. Auch die Union in der Landeshauptstadt Hannover macht den Grünen Avancen – vorerst vergeblich

Die SPD in Cuxhaven ist stinksauer: „Jene bei der CDU und FDP, die die Zusammenarbeit von SPD und Grünen in den Jahren 1996 bis 1999 noch vor vier Wochen als ‚das rot-grüne Chaos‘ bezeichnet haben“, erklärten die Sozialdemokraten dieser Tage, wollten nun „wohl ein Jamaika-Chaos anrichten“. Die Wahrheit ist bitter: Nach sieben Jahren Großer Koalition hat die CDU die SPD durch einen klugen Schachzug entmachtet: Im Rat der 53.000-Einwohner-Stadt an der Nordsee regiert künftig eine schwarz-gelb-grüne „Schwampel“-Koalition.

Trotz Dissens beim Bau der Küstenautobahn A 22 sieht CDU-Fraktionschef Enak Ferlemann „große Schnittmengen“ mit den Grünen. Hinter den Kulissen zog nicht irgendwer die Fäden für Jamaika: Ferlemann ist auch Bundestagsabgeordneter. Und der stockkonservative Landtagspolitiker Hans-Christian Biallas ist CDU-Chef in Cuxhaven. Um die Machtverteilung zu dokumentieren, hat die Schwampel gleich die Zahl der ehrenamtlichen Bürgermeister von zwei auf drei aufgestockt. So kommt jede der drei Parteien zum Zuge. Die SPD stöhnt auf: „Gute Nacht, Cuxhaven.“

Vielleicht sollte es eher „Gute Nacht, SPD“ heißen: Auch in Einbeck bahnt sich gerade Jamaika an. Und selbst in der SPD-Hochburg Hannover machte der unterlegene CDU-Oberbürgermeisterkandidat Dirk Toepffer den Grünen Avancen, als die Koalitionsverhandlungen mit der SPD stockten. Nicht ohne Hintergedanken: Nachdem bei den Kommunalwahlen am 10. September der Sozialdemokrat Stephan Weill im ersten Durchgang OB wurde, regiert die SPD die Landeshauptstadt seit mittlerweile seit 60 Jahren.

Allerdings: Gestern einigten sich SPD und Grüne, ihre mit Unterbrechungen seit 20 Jahren bestehende Zweckehe fortzusetzen. Dabei erreichten die Grünen Zugeständnisse beim Essensgeld in Kitas sowie die Option, demnächst bei der Besetzung des nächsten Baudezernenten mitreden zu dürfen.

Wie sehr die CDU auf Bündnisse mit der einstmals verhassten Öko-Partei setzt, machte in dieser Woche Lutz Stratmann deutlich. Mit knallgrüner Krawatte stolzierte der CDU-Kulturminister durch den Landtag in Hannover. Gerade hat der Oldenburger Parteichef in seiner Heimatstadt mit dem von ihm inthronisierten Ex-Grünen Gerd Schwandner den SPD-Oberbürgermeister gestürzt. Geholfen hatte dabei ein Wahlaufruf der Grünen. Die Parteien wollen auch im Oldenburger Stadtrat kooperieren. KAI SCHÖNEBERG