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Archiv-Artikel

Autonome ziehen bei Henkel um die Häuser

ASYLPROTEST II Nach der Räumung des O-Platzes wird in Kreuzberg und Friedrichshain demonstriert – und in Weißensee, wo der Innensenator wohnt

„Don’t try to fool the people from the school“

DEMOPLAKAT IN KREUZBERG

In der Oranienstraße tanzen Flüchtlinge zu „Rage against the machine“, während türkischstämmige Anwohner freundlich von den Fenstern winken. Die Moderatoren der Demo lachen, schreien, rappen und recken die Faust in die Höhe. „Wir sind hier, weil Bismarck 1885 auf der Afrika-Konferenz in Berlin Afrika wie ein Stück Kuchen aufgeteilt hat“, rufen sie. Oder einfach „Black and White, we don’t give a fuck!“ Immer wieder schreien sie: „Wir geben nicht auf!“

Die Räumung des Oranienplatzes vom Dienstag wirkt an diesem Wochenende in Berlin noch spürbar nach. Am Sonntagnachmittag liefen in Kreuzberg 500 Flüchtlinge und Unterstützer von der besetzten Schule in der Ohlauer Straße zum Oranienplatz. „Don’t try to fool the people from the school“ verkündet das Fronttransparent selbstbewusst. Die Flüchtlinge wollen, dass Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) zu öffentlichen Verhandlungen auf den Oranienplatz kommt. Außerdem fordern sie ein selbst organisiertes Wohnprojekt in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule.

Das Protestwochenende beginnt am Freitagabend in Weißensee. „Den Protest zu Henkel nach Hause tragen“ wollen die rund 500 Demonstranten, die durch den Stadtteil ziehen, in dem der CDU-Innensenator wohnt. „Henkel vertreiben, Flüchtlinge bleiben“, skandieren die überwiegend autonomen Teilnehmer beim Start.

Wut über Spaltung

500 Beamte sind im Einsatz. „Wir reißen dir die Hütte ab“, hatten Antifa-Aktivisten Henkel auf Plakaten gedroht. Dazu kommt es am Freitag nicht. Die Polizei sperrt die Amalienstraße, in der der Innensenator wohnt, großzügig ab. Henkel stehe exemplarisch für eine Politik, die mit Gewalt gegen soziale Bewegungen vorgehe, schallt es aus dem Lautsprecherwagen. Immer wieder werden die Weißenseer eingeladen mitzudemonstrieren. Die Aktivisten geben sich Mühe, die Anwohner anzusprechen, verteilen Flugblätter. Sie drücken ihre „Wut darüber aus, dass die Spaltung des Flüchtlingsprotestes durch den Senat so gut funktioniert habe“, und fordern ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge. Außerdem sollten die Proteste weitergehen, „solange das europäische Grenzregime existiert“.

Das Motto der Demonstration kommentiert eine Aktion der Jungen Union (JU). Nach der Räumung des Flüchtlingscamps am Oranienplatz hatten zwei JU-Mitglieder ein Foto mit einem „Danke, Frank“-Plakat vor den Trümmern des zerstörten Camps fotografiert und das Bild im Internet veröffentlicht. Dafür haben die Aktivisten auf der Demo nichts übrig: „Menschenverachtendes Dreckspack“, kommentiert einer.

„Ganz fluffig durchziehen“ wollte Polizeisprecher Stefan Redlich die Demonstration. Und in der Tat halten sich die Beamten bis auf ein kurzes Gerangel weitgehend zurück. Vier Leute werden laut Polizei in Gewahrsam genommen, überwiegend wegen Vermummung. Die Veranstalter sprechen am Samstag von neun Festnahmen.

Auch am Samstag gibt es Proteste: Am Mittag demonstrieren vier Aktivisten von „Pro Deutschland“ unter dem Motto „Kein Platz für Kriminelle – für ein sicheres Lichtenberg“ in der Nähe der neuen Unterkunft der Flüchtlinge in Friedrichshain.

50 Unterstützer der Flüchtlinge halten vor dem ehemaligen Hostel dagegen. Gleichzeitig treffen sich Flüchtlinge und UnterstützerInnen auf einer offenen Versammlung am Oranienplatz, um zu beraten, wie es nun weitergehen kann.

MORITZ WICHMANN