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Archiv-Artikel

Gutes Feedback

RAUSCHEN Im Berliner Festsaal Kreuzberg führt die kalifornische Zweimannband No Age ihren kreativen Umgang mit Lautstärke vor

VON BENJAMIN DANNEMANN

Um zum Konzert von No Age in den Berliner Festsaal Kreuzberg zu gelangen, muss man sich an einer Hundertschaft Polizei und einem Haufen schwarz gekleideter Kapuzenträger vorbeidrücken. Am Kottbusser Tor hatte sich gegen Abend nicht nur die Fangemeinde der kalifornischen Band eingefunden, sondern auch linke Gruppen versammelt, um gegen „Naziterror und Repression“ zu demonstrieren.

Drinnen, im vollen Festsaal, schieben sich Hipster mit ihren Stofftaschen um die Hüften aneinander vorbei. Nach dem ersten Bier verschwimmt das babylonische Sprachengewirr zum Hintergrundrauschen, die Stimmung wird dank der treibenden Powerpopperlen der Vorband Abe Vigoda besser. Leider haben sie noch mit der Bewegungsunlust des Publikums zu kämpfen – ewiges Vorbandschicksal. Man wartet auf den Hauptact.

No Age starteten 2005 im Umfeld des sagenumwobenen L.A.-Clubs „The Smell“. Vom Gestank zum Krach: Inzwischen sind sie die lauteste Zwei-Mann-Band der Welt. Schlagzeuger und Sänger Dean Spunt und Gitarrist Randy Randall dekonstruieren Rock und Punk bis auf die Knochen und erzeugen Feedback-Schleifen, die durch hochgepitchte Shoegaze-Riffs zu einem großen Ganzen verwoben werden.

Eruptionen auslösen

Bevor No Age die Bühne betreten, wird das Publikum mit Videoliveaufnahmen bei Laune gehalten, die auf die Rückwand der Bühne projiziert werden. Wackelnde Kamerabilder vom Bühnenaufbau, dem DJ, von Diskokugeln und winkenden Zuschauern schaffen die Illusion eines Rockkonzerts.

Dann brandet die erste Lärmwelle auf, die Bilder verschwimmen mit greller Pixel-Footage. „It’s Beach Time“ ist hinter Spunt und Randall zu lesen, die live von dem Keyboarder William Menchaca unterstützt werden, der die Samples spielt. Die ersten übersteuerten Riffs lösen eine Eruption aus. Alle Slackness wird weggeblasen und macht der Euphorie Platz. Hände gehen in die Luft, Locken und Flanellhemden werden ausgeschüttelt. Spunt ist der singenden Schlagzeuger par excellence.

Das Geheimnis der überdrehten Rückkopplungen steht hinter Randall: drei Verstärker für seine Gitarre. Randall wechselt ständig zwischen diesen drei Soundwelten. Die daraus entstehenden repetitiven Gitarrenschichten erzeugen eine ungeheure Druckwelle. Der Klang zieht den tanzenden Körper an und wuchtet Hiebe in die Magengrube. Vielleicht erklärt das auch, warum Randall in einer kurzen Pause seine Unterhose aus den „Butt-Cheeks“ ziehen muss und warum zwischendurch ein Kabel durchschmort. Und so singt ja auch Spunt halb vorwurfsvoll, halb bass erstaunt von dem selbst erbauten Klang-Scherben-Turm „Look what we’ve done“, es ist angerichtet. Mit einer fast schon Sixties-Hookline kommt der Song „Teen Creeps“ daher. „Glitter“ bringt lässigen Gesang mit Rumpel-Drums zusammen.

Durch das Spiel mit Verschachtelung und Tempowechseln schaffen No Age eine besondere Art der Wiederholung. Fragmente werden immer wieder in Wellen aus Rauschen und Wabern, hackenden Drums und Synth-Sounds getaktet. Dieser am Sampeln geschulte Umgang mit Geräuschen ist auch Bands wie Black Dice eigen. Bei der Zugabe steigern No Age noch einmal die Schlagzahl, lassen die Tempovariationen hinter sich und stürzen sich Hals über Kopf ins Publikum. Die Zwei-Minuten-Grenze wird bei Nummern wie „Boy Void“ oder „Brain Burner“ kaum angekratzt.

Als Randy Randall dann auch noch zum Pogo mit dem Publikum ansetzt, beschleicht einen die Angst, es könnte wieder so enden wie kürzlich beim Dance-Off mit dem Deerhunter-Frontmann Bradford Cox, als Randall auf einer Bierlache ausrutschte und sich die Schulter brach.

Zum Glück klettert der Gitarrist unverletzt zurück auf die Bühne und findet den sicheren Absprung. Als man den Festsaal verlässt, sind Polizei und Antifas verschwunden. Das Rauschen des Feedbacks wummert weiter im Ohr und vermischt sich mit dem Rascheln des Herbstlaubs auf Kreuzbergs Straßen.