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Archiv-Artikel

Das Oberschichtproblem

Nicht nur die Unterschicht wird vernachlässigt, auch um die Reichen kümmert sich der Staat zu wenig. Land verliert Milliarden wegen fehlender Steuerprüfer. Millionen-Nachzahlung an Flick-Erben droht

VON MARTIN TEIGELER

Nordrhein-Westfalen hat ein Problem mit seiner Oberschicht. Während die halbe Republik über die neue Armut debattiert, sind die Reichen und Superreichen Thema im bevölkerungsreichsten Bundesland. Weil die NRW-Behörden nicht genug Steuerfahnder und Finanzexperten haben, zahlt die Oberschicht zu wenig Steuern. „Jedes Jahr entgehen dem Land NRW Steuern in Milliardenhöhe“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel. Von einer „teuren Katastrophe“ für den Staat spricht Hans-Werner Kaldenhoff von der Deutschen Steuergewerkschaft.

Steuerbehörden, Finanzbeamte und Justiz sind damit überfordert, die Steuerschuld der Gutverdiener in NRW einzutreiben. Jüngstes Beispiel: Das Land muss offenbar Geheimverhandlungen führen, um Millionenzahlungen an die Erbengemeinschaft des kürzlich verstorbenen Milliardärs Friedrich Karl Flick abzuwenden (taz berichtete). Hintergrund ist laut Spiegel eine Selbstanzeige Flicks. 1998 hatte die Hauptfigur des Flick-Parteispendenskandals der 80er Jahre Steuerhinterziehung eingestanden und 150 Millionen Mark (76,7 Millionen Euro) an das Finanzamt gezahlt.

Die Überprüfung des Falls zog sich aber über Jahre hin, und Flick soll sein Geld kurz vor seinem Tod wegen der eingetretenen Verjährung zurückgefordert haben. Deshalb droht dem Land nun eine Millionen-Euro-Nachzahlung an die Flick-Erben.

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wollte den Vorgang gestern auf taz-Anfrage nicht kommentieren. Eine Sprecherin von CDU-Landesfinanzminister Helmut Linssen hatte am Wochenende gesagt: „Wir unterliegen dem Steuergeheimnis.“ Für die Landesregierung könnte die neuerliche Flickaffäre ein politisches Nachspiel haben. „Das ist ein echter Skandal“, sagt der grüne NRW-Haushaltsexperte Sagel. Dass ein derart wichtiges Verfahren verschlampt werde, sei unentschuldbar und müsse aufgeklärt werden.

Sagel wirft der schwarz-gelben Landesregierung vor, beim Eintreiben der Steuerschuld zu sparen. Fahrlässigerweise seien die NRW-Steuerfahnder unterbesetzt. „Dabei erbringt jeder Steuerprüfer 500.000 bis eine Million Euro Mehreinnahmen, was auch dem Landeshaushalt zugute käme“, so der Grüne. Das Land habe „ausreichend Steuerfahnder“, teilt hingegen das NRW-Finanzministerium mit.

Der Fiskus lässt sich nach Angaben der Steuergewerkschaft jedes Jahr Einnahmen in Höhe von bis zu 25 Milliarden Euro entgehen – NRW dürfte als größtes Land mit rund einem Viertel der Summe dabei sein. Von geschätzten 70 Milliarden Euro an hinterzogenen Steuern könne dieser Betrag durch mehr Prüfung und Fahndung eingenommen werden. Steuergewerkschafter Kaldenhoff: „Wer seine Steuer etwa als Freiberufler frei gestalten kann, wird in NRW statistisch gesehen nur alle 60 Jahre mit einer Betriebsprüfung behelligt.“

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